Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=09.07.1999 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung 29.01.14
Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20  D-91052 Erlangen
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Willkommen in unserer integrativen und interdisziplinären Abteilung Gesundheitspolitik, Gesundheitssystem, Krankenkassen, Sozialversicherung, Kosten, Nutzen, Schaden u.a.m.,  hier speziell zum Thema:

Psychodiagnostik und EBM
- Eine Kritik zur Qualitätssicherung -

von Rudolf Sponsel, Erlangen,

EBM ist das Kuerzel fuer  Einheitlicher-Bewertungs-Masstab fuer aerztliche Leistungen. Nach dem neuen Psychotherapeutengesetz und den Zulassungsbestimmungen fuer den Fachkundenachweis sind Psychologische Psychotherapeuten, wenn sie in das Arztregister eingetragen sind, AerztInnen gleichgestellt. Es gilt der allgemeine Grundsatz, dass alle "aerztlichen", also  auch die psychodiagnostischen und therapeutischen Leistungen PERSOENLICH zu erbringen sind.

Psychodiagnostik kann in der Praxis oft gar nicht persoenlich erbracht werden, weil das EBM-Honorierungssystem zum Teil voellig unwirtschaftliche Bewertungen vorsieht.

Wie geht man nun in der Praxis damit um? Es gibt folgende Moeglichkeiten: (1) man arbeitet psychodiagnostisch voellig unwirtschaftlich; (2) man verzichtet auf eine Psychodiagnostik,
(3) man verrechnet die Psychodiagnostik unter der Ziffer einer anderen Leistung (z. B.
unter Psychotherapie), (4) man delegiert die psychodiagnostische Leistung z. B. an eine
Klinik - dann kann es extrem teuer werden - , an  andere Kostentraegerinstitutionen (Schulpsychologischer Dienst, Beratungsstelle) oder an private Diagnostik-Praxen, (5a) man laesst die Psychodiagnostik von angelerntem Hilfspersonal durchfuehren, (5b) man laesst (fast) alles, was sich abrechnen laesst von angelerntem Hilfspersonal durchfuehren, um einen entsprechenden Ausgleich zu erzielen, (6) man rechnet zum Ausgleich einige Leistungen ab, die gar nicht gemacht wurden, (7) sonstige Moeglichkeiten (Rest- und Auffangkategorie).

Dieser Zustand ist natuerlich sowohl fuer die Versicherten als auch fuer die Kostentraeger und die BehandlerInnen untragbar und im Grunde bzw. nach dem Geist der Gesetze rechtswidrig, unwirtschaftlich und dem Auftrag der Heilkunde entgegenstehend.
 
 

Psychodiagnostische Leistungen bei Fragebogentests und Tests allgemein
Grundinformationen und wie psychologische Fragebogentests aufgebaut sind, erfahren Sie hier.

  1. Abnehmen eines Tests: hier ist die persoenliche Verfuegbarkeit bei Fragen und Problemen sehr wichtig. Bei vielen Tests ist die persoenliche Abnahme erforderlich.

  2.  
  3. Rohwert-Auswertung: Bestimmen der Skalen-Rohwerte des Fragebogentests (meist ueber Schablonen, es lohnt sich kaum, dies von Hilfspersonal machen zu lassen, wenn man die Auswertung kontrollieren muss).

  4.  
  5. Normwert-Auswertung der Skalen-Rohwerte durch Normwert-Zuordnung (meist ueber das Nachsehen in einer Tabelle leicht und schnell zuordbar)

  6.  
  7. Beurteilung der Reliabilitaet (Zuverlaessigkeit) des Normwert-Ergebnisses, eine Leistung die nur testpsychologisch gruendlich Ausgebildeten zu erbringen ist.

  8.  
  9. Beurteilung der Bedeutung (Interpretation) der Testergebnisse unter Beruecksichtigung der Validitaetsstudien zu einem Test (was misst dieser Test unter diesen oder jenen Bedingungen wirklich) und der Erhebungssituation (Wuensche, Motive, Interesse, Erwartungen der PatientIn).

  10.  
  11. Erfassung des Ergebnisses

  12.  
  13. Ausarbeitung einer angemessenen und patientInnengerechten Ergebnisrueckmeldung

  14.  
  15. Dokumentieren und Abrechnen der Leistung
Jede psychodiagnostische Testung erfordert dies  8 Grund-Leistungen. Wir wollen nun sehen, wie diese 8 Grund-Leistungen im EBM bewertet werden (und verstaendnis- und fassungslos unser psychologie-kundiges Haupt schuetteln).
 

Das kassen / aerztliche Abrechnungssystem und der EBM

Zu den Eigentuemlichkeiten des kassen-aerztlichen Abrechnungssystems gehoert es, dass die AerztIn oder die PsychotherapeutIn fuer ihre Leistungen "Punkte" - so eine Art Gutschein - erhaelt, die je nachdem, wie viel Geld zur Verfuegung steht und wie viel abgerechnet wurde, so oder so viel in Mark und Pfennig wert sind. Der Punktwert fuer psychodiagnostische und psychotherapeutische Leistungen betraegt zur Zeit (Juli 1999) um die 8 Pfennige, Tendenz fallend.

Beispiele aus dem EBM:

Verwaltung
Nr.    01     Verwaltungsgebuehr pro Quartal1)         40 Punkte = derzeit ca. DM 3.20
                  hoechstens einmal abrechnungs-
                  faehig pro Quartal

Interdisziplinaere Besprechung
Nr.    42     Konsiliarisiche Eroerterung zwischen        80 Punkte = derzeit ca. DM 6.40
                  zwei oder mehr Behandlern, hoech-
                  stens zwei mal abrechnungsfaehig
                  pro Quartal1) .

Anamnese
Nr.  860     Erhebung einer biographischen             1450 Punkte = derzeit ca. DM 116.00
                  Anamnese mit schriftlichen Auf-
                  zeichnungen, insgesamt mindestens
                  50 Minuten, ggf. in mehreren Sitzun-
                  gen, hoechstens ein mal in einer
                  Therapie (KV-Jargon: "Krankheitsfall")

Psychotherapie
Nr.872/77 Psychotherapeutische Sitzung, mit      1450 Punkte = derzeit ca. DM 116.00
Nr.881/82 einer Dauer mindestens 50 Minuten

Psychodiagnostik Fragebogentests und Tests
Nr. 890     Anwendung und Auswertung von        60  Punkte = derzeit ca. DM 4.80
                 Fragebogentests  (z. B. MPI, IPO,
                 Hanes, FPI, Giessen-Test), bis zu
                 zwei Tests pro Quartal1) .

Nr. 891    Anwendung und Auswertung orien-    120 Punkte = derzeit ca. DM 11.20
                tierender Testverfahren (Raven-Test,
                Wartegg-Zeichentest, Hans-Baum-
                Mensch, Rosenzweig, Benton, d2,
                bis zu zwei Tests pro Quartal1) .

Nr. 895    Anwendung und Auswertung pro-       400 Punkte = derzeit ca. DM 32.00
                jektiver Testverfahren (CAT, Schwarz-
                fuss,  Sceno, TAT- oder Rorschach-
                Kurzform) mit schriftlicher Aufzeich-
                nung, insgesamt im Quartal1) .
 
 
    Rorschach-Bewertung

    Das Aufwendigste am Rorschach ist nicht das Aufschreiben, sondern die Signierung, Verrechnung und Interpretation, und zwar um so mehr, je mehr Antworten gegeben werden. Nur das Aufschreiben zu verlangen ist daher grober Unfug.

    Es ist weiter Unsinn, den Rorschach-Test global mit 1000 Punkten zu bewerten. Hier ist eine Bewertungsgrundlage aus Zeitaufwand (Hirnorganiker oder Depressive koennen z. B. ein mehrfaches der Abnahmezeit erfordern) und Antwortzahl vernuenftig und geboten.
 

Nr. 897    Anwendung und Auswertung auf-    1000   Punkte = derzeit ca. DM 80.00
                wendiger projektiver Testverfahren
                (Rorschach-Test, TAT)  mit schrift-
                licher Aufzeichnung, insgesamt im
                Quartal1) .
 

Nr. 896    Anwendung und Auswertung stan-    700 Punkte = derzeit ca. DM 56.00
                dardisierter Intelligenz- und Entwick-
                lungstests (HAWIE(K)-R, IST/ Amt-
                hauer, Kramer) mit schriftlicher Auf-
                zeichnung, insgesamt im Quartal1) .
 
     
    Der Hamburg Wechsel Intelligenz Test fuer Kinder (HAWIK) oder Erwachsene (HAWIE) oder auch der Intelligenz-Struktur-Test von Amthauer (IST) dauern in der Abnahme, die persoenlich erbracht werden muss, in der Auswertung, Interpretation und Aufzeichnung mindestens zwei Stunden (siehe Grund-Leistungen). 

    Fuer 700 Punkte koennen diese Tests nicht wirtschaftlich erbracht werden. 

    Dieser Punktwert ist Unsinn und fordert zu einer der nicht vertretbaren Handhabungen heraus

 

Eine neue Situation durch die Hereinnahme der Psychologischen PsychotherapeutInnen in das kassen / aerztliche System

Die Punktwerte fuer psychodiagnostische Testleistungen sind klar auf Hilfspersonal abgestimmt. Es ist ja voellig klar, dass eine AerztIn in ihrer Praxis mit einem viel hoeheren finanziellen Allgemeinaufwand als eine psychologische Praxis  mit den Punktwerten des EBM ueberhaupt nicht wirtschaftlich arbeiten konnte und koennte. Von daher ist es nachvollziehbar und verstaendlich, dass fuer psychodiagnostische Testleistungen sich zunehmend mehr Hilfspersonal-Honorare entwickelt und durchgesetzt haben.

Durch die Aufnahme der Psychologischen Psychotherapeuten in die vertragsaerztlichen Leistungen ist eine voellig neue Situation entstanden. Psychologen anders als Aerzte legen in der Test-Psychodiagnostik schon aus fachlichen Gruenden grossen Wert darauf, die gesamte Leistung persoenlich zu erbringen, daher ist es nun an der Zeit, die Punktwerte im EBM  nach in Kraft treten des neuen Psychotherapeutengesetzes  den neuen Gegebenheiten und Erfordernissen anzupassen.

Forderungen an die Ueberarbeitung des EBM
 

  1. Test-Psychodiagnostische Leistungen duerfen nur abgerechnet werden, wer die testpsychologsiche Fachkunde nachgewiesen hat, die  im Regelfall mit dem Psychologie-Diplom nachgewiesen ist.

  2.  
  3. Test-Psychodiagnostik ist nach dem tatsaechlichen erbrachten persoenlichen zeitlichen Aufwand zu honorieren, das bedeutet z. B. fuer HAWIE/ HAWIK/ IST 2800 Punkte, fuer den Rosenzweig PFT 1400 Punkte, fuer den d2  700 Punkte. Grundsatzlich erscheint es sinnvoll, die Test-Psychodiagnostik je nach zeitlichen Aufwand zu vergueten, wie das z. B. sehr gut in der Vereinbarung der Techniker Krankenkasse mit dem Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen geregelt war. Es gibt dann den durchschnittlichen Regelfall und bei entsprechenden Schwierigkeiten oder besonderen Aufwendungen einen entsprechend angemessenen Zeitfaktor-Aufschlag, also z. B. einfacher Satz, 1.5- oder 2- facher Satz.

  4.  
  5. Test-Psychodiagnostik, worunter auch Qualitaetssicherungen fallen koennen, sind ueber die gesamte Zeit des Therapieverlaufs abrechenbar.

  6.  
  7. Test-Psychodiagnostik kann auch im Rahmen von Katamnesen (= Nachuntersuchungen 1-X Jahre nach Abschluss der Therapie) als Qualitaetssicherung, hoechstens jedoch bei jedem 10. Fall, einmalig abgerechnet werden (Neue Ziffer im EBM).


In Vorbereitung:
Weshalb Psychodiagnostik ueber den gesamten Therapiezeitraum abrechnungsfaehig sein muss.


Fussnoten
1) In der buerokratischen Abrechnungssprache heisst es "pro Behandlungsfall". Das versteht aber niemand. Daher gaben wir hier an, was gemeint ist.

Zitierung
Sponsel, R. (1999).  Psychodiagnostik und EBM. Eine Kritik zur Qualitaetssicherung. Internet Publikation - Allgemeine und Integrative Psychologische Psychotherapie auf multi-modal verhaltenstherapeutischem Hintergrund. Erlangen: https://www.sgipt.org/gesko/EBM/ebm0.htm
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