SGIPT - Gesellschaft für Allgemeine und Integrative Psychotherapie - Deutschland
     Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT DAS=20.04.2001


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    Willkommen in der Abteilung Forsensische Psychologie, hier speziell zum:

    Psychologische Grundlagen des Polizeilichen Opferschutzes
    Luxus oder Notwendigkeit?

    von Gabriele Kluwe-Schleberger
    Johannes Tammer

                 
                Überblick
                0. Einleitung
                1. Was ist ein Trauma?
                2. Traumafolgen
                3. Umgang mit Traumatisierten
                4. Erwartungen der Opfer: "Schutz und Hilfe"
                5. Handlungsleitfaden
                • Was tun bei Schockreaktion, Affektdurchbrüchen und Versteinerung?
                • Was tun bei Kontrollverlust?
                • Was tun für das Sicherheitsbedürfnis?
                • Was tun bei Hilflosigkeit?
                • Was tun bei Wahrnehmungstörungen?
                6. Selbstfürsorge
                6.1 Übungen
                • Entspannungsinduktion
                • Innerer Helfer
                • Innerer Beobachter
                • Tresorübung
                7. Literatur
                8. Wer kann helfen?
                9. Berufsbiographische Daten zu den AutorInnen
                Querverweise


    Einleitung

        Im polizeilichen Dienst begegnen Sie beinahe täglich Personen, die Opfer einer Straftat oder eines Verkehrsunfalls geworden sind, oder die sich in einer bedrohlichen Lebenssituation um Hilfe an Sie wenden. Was Sie konkret für diese Menschen tun können, gibt Ihnen der polizeiliche Doppelauftrag der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung vor.
        Neben diesem Doppelauftrag gibt es noch die Restitutionspflicht, der die staatlichen Institutionen und ihre Beamte unterstehen. Nachdem die Bürger auf eigene Gewaltausübung verzichteten und diese dem Staat anvertrauten, übergaben sie ihm mit dieser Monopolstellung auch den Auftrag der Wiederherstellung - der Restitution. Die staatlichen Organe haben sich im Gegenzug für die Überlassung der Gewaltausübung den Bürgern gegenüber im Sozialkontrakt verpflichtet, sie zu schützen und, falls dies nicht gelingt, die Betroffenen soweit als möglich wieder in den Zustand vor dem Tatgeschehen zu versetzen.
        Während den Staatsorganen die Gewaltausübung recht gut gelungen ist, bleibt an der Erfüllung des Restitutionsauftrages noch Einiges zu optimieren.
        Die Frage. ob polizeilicher Opferschutz eine Zusatzaufgabe ist, beantwortet sich so aus sich selbst heraus. Bei der Ausübung Ihrer Pflichten ist Ihnen sicher schon bewusst geworden, dass dies nur gelingt, wenn Sie die Opfer nicht nur als Objekte zur Erreichung Ihrer Ziele ansehen. Sie nur als verfügbare Zeugen oder Spurenträger zu behandeln, reicht nicht hin. Den größten Erfolg erreichen Sie für alle Beteiligten, wenn sie die Opfer als Subjekte mit eigenen Bedürfnissen und Erwartungen wahrnehmen und achten. Das  bringt verlorenes Vertrauen zurück und erhöht so die Bereitschaft der Opfer, mit Ihnen zusammen zu arbeiten.
        Wenn Ihnen diese Einstellung wichtig ist, werden Sie mehr über die psychische Verfassung von Opfern nach Straftaten bzw. nach Verkehrsunfällen wissen wollen:
     

      Welche psychische Schäden richten Straftaten an bzw. lösen Verkehrsunfälle aus, warum reagieren Opfer auf polizeiliche Maßnahmen manchmal mit Vorbehalten, Ungeduld oder Abwehr? Mit diesen Fragen haben Sie schon begonnen, Opferschutz als Bestandteil des polizeilichen Auftrages zu verstehen.


    Die  alltägliche berufliche Erfahrung zeigt , dass - bei aller beabsichtigten Orientierung an den Bedürfnissen der Opfer - einem schonungsvollen und hilfreichen Umgang mit Opfern häufig berufliche Zwänge entgegenstehen, z.B. Arbeitsfülle und Zeitdruck.
        Berufliche Routine kann eine anfängliche Opferorientierung schnell wieder verdrängen. In der Folge wird es Ihnen dann schwer fallen, die weiteren Reaktionen der Opfer verstehen zu können.
    Was durch unsachgemäßes polizeiliches Vorgehen aber an nachträglichen Verletzungen der Opfer verursacht wird, bleibt Ihnen möglicherweise verborgen. Es zeigt sich aber indirekt in für Sie schwer verständlichen Verhaltensreaktionen bis hin zum Zusammenbruch ihrer Kooperationsfähigkeit.
        Darum muss offen von den Möglichkeiten einer erneuten Verletzung der Opfer (sekundäre Viktimisierung) im Rahmen des Strafverfolgungsprozesses gesprochen werden. Das unterstützt Ihr Anliegen, einen schädigungsfreien Umgang mit den Opfern trotz aller beruflichen Zwänge und Routine aufrecht erhalten zu können.
    In den folgenden Ausführungen bekommen Sie einen Einblick in die psychologischen Grundlagen der Opfersituation.
        Zunächst wird der Begriff des psychischen Traumas erläutert, um danach die Folgen der Traumatisierung verständlich zu machen. Auf dieser Grundlage schließen sich allgemeine Hinweise für den Umgang mit Opfern an, die in konkrete Handlungsempfehlungen bei der polizeilichen Aufgabenerfüllung münden. Schließlich finden Sie noch einige Vorschläge zur Selbstfürsorge, die Ihnen helfen können, bei der nicht einfachen Aufgabe eines hilfreichen Umgangs mit traumatisierten Opfern sich selbst vor dauerhaften Belastungen zu schützen. Den Abschluss bildet eine Reihe von Adressen, die Opferschutz und Opferhilfe praktizieren.

    Wir haben im Text die weibliche Anredeform gewählt,  mit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte ansprechen.
     
     


    1. Was ist ein Trauma?

    Der Begriff ist, wie viele andere auch, der griechischen Sprache entlehnt. Die alten Griechen waren eine Seefahrermacht und die Grundlagen ihrer Kulturvermittlung, die Schiffe, waren gefährdet. Stürme , Strömungen und Klippen, mit denen sie zu kämpfen hatten, schlugen ihren Schiffen oft existentiell bedrohliche Wunden: die Traumata , die ganze Mannschaften gefährdeten. Deshalb übernahm zunächst die Medizin den Begriff Trauma
    zur Beschreibung von körperlichen Wunden. Von dort aus gelangte die Bezeichnung als Diagnose auch in die Psychologie. Im heutigen Verständnis wird ein Trauma immer durch ein Ereignis ausgelöst, das die Psyche angreift und die persönliche Integrität bedroht. Die dabei ausgelösten neurochemischen Prozesse sind so massiv, dass sonst gewohnte Reaktionen auf geistig -körperlicher Ebene nicht möglich sind. So kommt es z. B. in Extremstresssituationen,  in denen Flucht oder Kampf nicht möglich sind - ähnlich wie bei anderen Säugetieren - zur Schreckstarre , die ,,vernünftige" Reaktionen verhindert. Dies kann so nachhaltig wirken, dass es die Biographie des/der Betroffenen auf Dauer massiv beeinflusst.
    Wenn nicht schnell und effektiv interveniert wird, kann  eine Persönlichkeitsveränderung oder eine somatische Krankheit die Folge sein. Dann wird beispielsweise von einer ,,Posttraumatischen Belastungsreaktion oder Belastungsstörung" gesprochen.

    Das Geschehen eines Traumaablaufes wird auf der folgenden Grafik visuell erfahrbar gemacht.
    Wie sie dem Schema entnehmen können, gibt es Abläufe, die für jeden Menschen in einer Traumasituation gleich erfahrbar sind (normal), und andere, die unter bestimmten Bedingungen zu krankmachenden (pathologischen) Verläufen führen. Einen Teil der Gestaltungsmöglichkeiten haben Sie in der Hand. Ein Opfer erinnert sich immer - wie eingebrannt - an den ersten Kontakt und an die Person nach dem Trauma.
     

      F.K. Schattauer Verlagsgesellschaft mbH (1997)

    Nach der American Psychiatric Association wird Trauma definiert als:
    "...ein psychischen Streß auslösendes Ereignis außerhalb der üblichen menschlichen Erfahrung".
    Es ist davon auszugehen, dass derartige Ereignisse die Möglichkeiten sonst bewährter Bewältigungsstrategien übersteigen. Ein traumatisches Ereignis ruft große Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen hervor. Nicht nur ein einmaliges belastendes Ereignis kann zu Traumatisierung führen, sondern auch Dauerbelastungen durch Stressoren z. B. ständige Überbelastung ohne Ausgleichsmöglichkeit, dauernde Schikane und Schicksalsschläge.

    Auch wenn Menschen in Berufen als Katastrophenhelfer, Polizisten, Feuerwehrleute, Soldaten, Ärzte etc arbeiten, sind die Erfahrungen, die sie dort sammeln nicht die ,,üblichen menschlichen Erfahrungen". Hier häufen sich kumulativ die Stressereignisse, die Traumatisierungen, auch wenn sie als solche subjektiv nicht mehr wahrgenommen werden.
    Nicht von ungefähr ist das Risiko dieser Berufsgruppen, an typischen Stresserkrankungen zu leiden und vorzeitig zu sterben, höher als im Durchschnitt der Bevölkerung.

        Für Sie als Außenstehende ist es manchmal nicht nachvollziehbar, warum Opfer von Diebstahl oder Wohnungseinbrüchen so aufgeregt oder kaum konzentrationsfähig sind. Das können typische Traumareaktionen sein, die Sie nach den relativ ,,harmlosen" Schädigungen so nicht vermuten. Sie als Polizeibeamtinnen wissen nicht, ob die geschädigte Person kurz zuvor einen anderen Schicksalsschlag erlitten hat und jetzt von Neuem
    traumatisiert wurde.

        Ein Trauma ereignet sich, soweit bis heute erforscht, immer in ganz bestimmten Abläufen, die als Traumaschema dargestellt werden können.
    Ein Stressor löst dabei physiologisch Stressreaktionen  aus, ist für sich genommen jedoch als kurzdauerndes Einzelereignis gut zu verarbeiten.
    Ein belastendendes Ereignis ist ein Lebens veränderndes Ereignis, wie der Tod eines nahen Angehörigen, ein Umzug, eine Beförderung, eine Heirat.
    Auch wenn es schwer verständlich ist, auch  angenehme Veränderungen sind für den Organismus belastend, da er Anpassungsleistungen vollbringen muss. Abwehr sei Dank,  merken wir davon jedoch nichts.
    Der Begriff Trauma wurde bereits beschrieben.



    2.Traumafolgen

    2.Traumafolgen

    Bei einer Posttraumatischen Stressbelastung ( PTSB) zeigen sich in der Regel drei Symptomgruppen:

    1. sich aufdrängendes Wiedererinnern an das traumatische Ereignis
    2. erhöhte Erregbarkeit
    3. Abstumpfung, Rückzug, Vermeidung

        Nach einer Traumatisierung treten einzelne Symptome oder Symptomgruppen auf, die vorübergehend sein können. Unter ungünstigen Bedingungen, zu denen auch Maßnahmen von Strafverfolgungsbehörden gehören, chronifizieren diese Symptome von einer Posttraumatischen Belastungsreaktion zu einer PTSB. Wenn Traumatisierungen unbehandelt bleiben, können  Krankheitsbilder aus allen  nur vorstellbaren Bereichen
    entstehen. Diese Traumareaktionen  betreffen alle Bereiche des Menschseins: die Gedanken-, Gefühls-, und Verhaltensebene.
        Für Sie als Kontaktpersonen ist es wichtig zu wissen, dass diese Erlebnisweisen die Folgen der komplexen Stressreaktionen sind, die nach einem ,,neurochemischen Programm" ablaufen.
    An Stressreaktionen sind sowohl die neurale, die neurendokrine und die endokrine Achse beteiligt.
    Die neurale Achse wirkt durch das Zusammenspiel des autonomen Nervensystems, das aus Sympathikus und Parasympathikus besteht und dem neuromuskulären System. Die zweite Stressachse ergibt sich aus dem Zusammenspiel des sympathischen Systems mit dem Nebennierenmark. Bei Stimulation wird Epinephrin (Adrenalin)und Norepinephrin (Noradrenalin) ausgeschüttet. Diese Hormone sind für fight - flight -Reaktionen
    verantwortlich, die, wenn sie unterbunden werden, zu traumatischem Stress führen. Die dritte Achse besteht aus vorderer Hypophyse und der Nebennierenrinde( zuständig für Cortison, Aldosteron). Außerdem verändern sich unter Stress der Östrogen -, Testosteron - und Progesteronspiegel. Dieses hormonelle Zusammenspiel wirkt sich auf das Immunsystem und  wahrscheinlich auch auf die Lernfähigkeit  unter Stress und das Empfinden aus. Die Forschung findet ständig neue und erweiterte Zusammenhänge. Dieses ,,Stressprogramm" läuft nach Traumatisierungen im Sinn einer genetisch gespeicherten Überlebensreaktion automatisch ab und kann willentlich nicht einfach beendet werden. Es ist wenig sinnvoll, sondern eher schädlich, Betroffene aufzufordern, sich zu beruhigen, Alles nicht  so tragisch zu nehmen oder sich endlich auf die Befragung zu konzentrieren.
    Dazu sind Traumatisierte nicht in der Lage. Jedes erzwungene Wollen in diese Richtung löst eine neue Traumatisierung aus, ist  bei Gewaltopfern genaugenommen Täterverhalten.
    Kontaktpersonen haben die Möglichkeit durch "Erste Psychologische Hilfe" das allmähliche "Herunterfahren" des "Stressprogrammes" zu unterstützen.
        Bei der wichtigen ersten Hilfsmaßnahme für Opfer von Straftaten,  kommt es darauf an, die Traumatisierten im Außen (kein Täterkontakt mehr) und im Innen (ich kann mich jetzt schützen) zu sichern. Die Arbeit mit traumatisierten Menschen ist wie die Arbeit in einem Minenfeld, und die sollte nur mit optimaler Sicherung erfolgen. Früher glaubte man, "drüber Reden" im Sinne einer Katharsis (reinen Tisch machen) könnte hilfreich
    sein. Heute wissen wir, dass dies für die ersten Wochen bis maximal sechs Monate nach dem  belastenden Ereignis auch zutrifft.
    Im späteren Verlauf gelten andere Regeln, die ebenfalls  biologischen und neurochemischen Grundlagen haben.
     


     

    Traumatisierungen werden dadurch ausgelöst, dass das traumatisierende Ereignis die bisher bewährten Bewältigungsstrategien übersteigt. Deshalb setzt nach dem traumatisierenden Erlebnis im Gehirn ein nachholender Bewältigungsprozess ein, der mehr oder weniger gelingen kann.
    Zum Gelingen kann das ,,sich von der Seele Reden" aller Gedanken, Gefühle und Empfindungen, die mit dem Erlebnis verknüpft sind, beitragen.

    Was bewirkt das Reden?

    Durch dieses unmittelbare ,,von der Seele Reden" nach Einwirken des Stressors wird die Verbindung zwischen Broca - Region( Sprachzentrum) und Frontalcortex (Sitz der vernunftmäßigen Aktivitäten) aktiviert und eine Verspeicherung im Hippocampus (Teil des Gedächtnisses) ermöglicht.
    Das Ereignis wird zu einer - wenn  manchmal auch schrecklichen - Erinnerung.
    Das heißt, dass der Betroffene zunehmend bewährte Strategien mit dem Unbewältigten verknüpfen , in sein geistiges und motorisches Orientierungssystem einordnen und zunehmend im Gedächtnis abspeichern  kann. Um nach einem traumatischen Ereignis wieder "mit dem Leben zurecht zu kommen", muss das Bedrohungserleben in Worte gefasst werden können, die Sprachlosigkeit muss überwunden werden, um die unter der Stresseinwirkung erfolgte Blockade des Frontalkortex und der Broca - Region aufzuheben und eine Verspeicherung im Hippocampus möglich zu machen.
    Liegt das Ereignis jedoch länger zurück und konnte der Speicherprozess in den Hippocampus nicht erfolgen, entsteht eine Chronifizierung der Stressreaktion. Daraus bildet sich eine traumatische Belastungsstörung aus ( PTSB ). In einem solchen Fall wird jedes "triggernde" (anstoßende) Ereignis als Extrembedrohung wahrgenommen.

    Diese bedarf einer anderen Vorgehensweise , weil jedes ,,Erinnern" an ein Trauma  hierbei kein Erinnern, sondern eine Retraumatisierung, also ein erneutes Erleben der gleichen traumatisierenden Situation ist. Es besteht dann, wie beim ursprünglich erlebten Ereignis, keine Verbindung zur Broca-Region und die Aktivität im Frontalcortex ist "heruntergefahren". Flucht oder Angriff, auch im Sinne einer gesunden Abgrenzung oder Verweigerung sind nicht möglich. Als Beobachter kann Übererregung oder Lähmung sichtbar werden, aber auch tranceähnliche Zustände, als sei der andere "weggetreten". Teile des limbischen Systems (Steuereinheit für Affekte wie Wut, Trauer, Freude  etc. und Sitz des Assoziationsgedächtnisses), in denen das Trauma sozusagen "eingefroren" war, sind aktiv. Auch ein Nucleus (Kern), eine Art "Zeitgeber der Gegenwart", der meldet, dass das Ereignis jetzt in diesem Moment stattfindet, arbeitet bei sonst beinahe "betäubtem"  Gehirn.
        Es kommt zu einer Retraumatisierung des Patienten, die eine Verschärfung der Symptomatik nach sich zieht.
        "Trigger", also Anstoß für eine solche Retraumatisierung, kann alles sein:
    Z. B. reden über das Ereignis ohne ausreichende Sicherung, das heißt, ohne dass das Opfer gelernt hat sich zu schützen und zu trösten. Häufig sind es Geräusche wie das Ticken von Uhren, Atem, das Kreischen von Bremsen,  Geräusche berstenden Bleches, Sirenen, Schritte oder das Knarren, das  beim Öffnen einer Tür entsteht, wenn sonst alles still ist. Bei Gewaltopfern können es Berührungen oder Stimmen sein.

    Aus dem z. Z. aktuellen Wissen um die neurochemischen Prozesse und die daraus resultierenden Reaktionsweisen ergeben sich für den polizeilichen Umgang mit den Opfern nach Straftaten wichtige Verhaltensgrundsätze, deren Nichtbeachtung zusätzliche Schädigungen auslösen.


    3.Umgang mit Traumatisierten

    .Umgang mit Traumatisierten

    Als Polizeibeamtin sind Sie für das Opfer nach einer traumatisierenden Ereignis oft die erste  Kontaktperson,  von der sich das Opfer Hilfe erwartet.
    Diese Erwartungen decken sich nicht unbedingt mit Ihren Ermittlungsabsichten. Seltener ist es der Einsatz in Bereichen von Großkatastrophen, bei denen Traumatisierungen als natürliche Folge erwartet werden und direkt nachvollziehbar sind , die zu unmittelbaren, durch Abwehrverhalten und anders gelagerten Absichten gesteuerten Fehlreaktionen führen. In den meisten Alltagsfällen geht es um  Diebstahl, Raub, Wohnungseinbruch, Gewalt und Unfälle - also um polizeiliche Routineangelegenheiten.
    Routine impliziert ein sich immer wiederholendes gleiches Schema im Handlungsablauf. Dies ist notwendig und hilfreich, um Arbeitsabläufe zu vereinfachen. Diese Vereinfachung wird im Umgang mit Traumatisierten zum Hindernis, wenn die Belange des Opfers nicht mehr bewusst wahrgenommen werden können, weil allein forensisches Interesse die Ermittlungsarbeit bestimmt.
    Inzwischen sprechen sowohl praktische Erfahrungen, als auch wissenschaftliche Untersuchungen aus der Therapie dafür, dass sorgsames, opferorientiertes Vorgehen eher zu gerichtsverwertbaren Ermittlungsergebnissen führt.

        Opferorientierung heißt zu wissen und zu erkennen, dass der Mensch  sich hilflos, ohnmächtig und verletzbar fühlt. Er ist zutiefst erschüttert und erschreckt durch das erlittene Trauma. Diese Erschütterung kann so tiefgreifend sein, dass sie nicht unmittelbar zu erkennen ist z. B im Sinne einer Schockreaktion. Hat das Opfer ein Trauma er- und überlebt, können sich - für den Außenstehenden nicht immer nachvollziehbare - Gefühlsreaktionen zeigen.
    Opfer brauchen Raum - zeitlich und örtlich-, um ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und ihre Geschichte loszuwerden. Dies wird oft durch biologischen Druck ausgelöst, der sinnvoll ist, um einer dauerhaften Traumatisierung entgegenzuwirken. Unbedingt notwendig ist in der Kontaktaufnahme die Gestaltung des Rahmens (setting) in Richtung auf Sicherheit, Schutz und Vermittlung von Geborgenheit für das Opfer.

    Wie kann das erreicht werden?

    Unabhängig vom Einsatzort ist es wichtig dass Sie als guter Zuhörer zur Verfügung stehen.
    Ein guter Zuhörer zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht wertet, dass er die Gefühle und Geschichten akzeptiert und sich entwickeln lässt, dass er eigenartige und scheinbar unpassende emotionale Reaktionen wie Lachen oder Wutausbrüche angemessen auffängt, dass er Handlungs- oder Verbalstereotypen (z.B.: "Ich kann es nicht fassen, ich kann es nicht fassen...") begleiten und auflösen kann.
        Es gibt allerdings  Hindernisse, die jedem von uns zu eigen sind, diese Erkenntnisse im Sinne der Betroffenen umzusetzen. Jeder Mensch wehrt mögliche Gefahren ab. Dies dient der Überlebenssicherheit, die wir alle benötigen, um ,,normal" am sozialen Leben teilzunehmen.
    Jeder Mensch in Europa (van Dijk 1990) wird im Schnitt einmal im Leben Opfer einer Gewalttat.
    Wenn wir trotz dieser Tatsache keinen Verfolgungsideen entwickeln wollen, die Kontakte zu anderen Menschen unmöglich machen, müssen wir Techniken entwickeln, die diese Tatsachen ausblenden helfen.

    Solche Techniken werden in der Psychologie Abwehrmechanismen genannt. Ohne gut funktionierende Abwehr wären wir nicht überlebensfähig.
    Allerdings gibt es Bereiche, in denen diese Abwehr uns hindert, die Realität so wahrzunehmen, wie sie wirklich ist. Jeder Abwehrmechanismus führt zu realitätsverzerrenden Stereotypen. Diese entstehen durch die Ausformungen subjektiver Überzeugungen, die meist irrational sind , sich jedoch jeder  Überzeugung entziehen. Sonst würden sie als Abwehr von eigenen Ängsten  nicht funktionieren.
        Dazu gibt es Meinungen wie:
    Das kann nur dort (in dem Viertel, in dem Land) passieren, das war der Zeitpunkt, der kurze Rock, das Alter, die Jugend, die fehlende Geistesgegenwart, die Empfindlichkeit des Opfers usw.
    Die am meisten verletzende Variante ist, dem Opfer die Schuld zuzuschreiben.
    In Befragungen von 16 Opfern, die ich unsystematisch nach Akuttraumatisierung (vier Überfälle in  verschiedenen Banken) befragt hatte, wurde von allen Beteiligten übereinstimmend geäußert, dass schlimmer als die Überfälle selber, die Behandlung durch die Beamten gewesen sei. Nach den Vernehmungen hätten die Bankangestellten den Eindruck gehabt, sie seien die Täter und trügen die Schuld am Tathergang. Sie erlebten sich stigmatisiert, mit Misstrauen behandelt (,,als ob ich der Täter wäre"), als müssten sie sich schuldig fühlen. Diese empirischen Ergebnisse decken sich mit den wissenschaftlichen Erhebungen von Prof. Dr. Fischer, die im Auftrag des Sozialministeriums in NRW durchgeführt wurden. Die schon
    angesprochene Routine kann auch zu unangemessenem Verhalten gegenüber Opfern führen, indem ihr Opfer-geworden-Sein nicht angemessen gewürdigt werden kann. Die Bearbeitung der meisten Gewaltdelikte ist polizeiliches Alltagsgeschäft.


    4.   Erwartungen der Opfer: "Schutz und Hilfe"

    .   Erwartungen der Opfer: "Schutz und Hilfe"

    In weiteren Untersuchungen in NRW durch Prof. Fischer et al. und Opferbefragungen, sowohl im wissenschaftlichen Rahmen als auch empirische Ergebnisse aus der Praxis, zeigen für  das Erleben der meisten Opfer heute noch ein eher erschreckendes Bild.
    Meine Erfahrungen mit  Opfern sind, dass sie sich fühlen, als seien sie die Täter, nicht ernst genommen, in ihrer Not nicht wahrgenommen. Sie erleben, dass der Täter wichtiger ist, als sie selber. Sie fühlen sich bedrängt, lächerlich gemacht, verletzt, nicht geschützt oder versorgt.
    Opfer schwerer Gewaltverbrechen fühlen sich oft erneut bedroht, Todesängsten ausgesetzt, verunsichert oder verfolgt.

    Fallvignette:

    An einem 10 jährigen Jungen wurde auf einem Autobahnrastplatz  im Schlaf ein Tötungsversuch durch den Vater unternommen. Der Junge erlitt einen Messerstich direkt ins Herz. Vom Schmerz und einem ungeheuren Hitzegefühl wurde er wach. Der Vater war aufgrund eines psychotischen Schubs  nach der Tat nicht weiter handlungsfähig. Der Junge, mit offener Brust, das Gluckern und Rauschen des wegfließenden Blutes wahrnehmend, in Todesangst, musste den Vater anleiten zu tun was getan werden musste: den Notarzt, die Polizei rufen. Mehr als endlose 15 Minuten vergingen. Die Hitze, wie Verbrennen, die der Kleine erlebte, die Einsamkeit des Sterbens, die Angst - mit all dem war er allein gelassen .
    Auch als die  Polizei kam, kümmerte die sich erst um den Vater. Die Notärzte rangen um das physische Leben- Stunden- , auch in der Klinik. Für die Ängste, die Panik des Opfers war niemand da. Die hörten erst auf, nachdem er nach Stunden betäubt ins Koma fiel. Dass er überlebte war ein Wunder. Dieser Junge ist  sehr schnell in Therapie gekommen, was nicht immer der Fall ist, und hatte das Glück eine Traumatherapeutin zu bekommen. Das Schlimmste für ihn war die lange Zeit der Angst, in der niemand für ihn da war, der getröstet hätte.

        Oft erleben Betroffene die ersten Kontaktpersonen wie weitere Täter und mit dem eigentlichen Täter solidarisch. Dabei sind Sie möglicherweise die Erste am Ort des Geschehens und verhalten sich entweder schützend und helfen einem Menschen in großer Not. Dann kann dieser den Glauben behalten, dass die Gewalttat eine Ausnahme war. Oder die Betroffene macht durch Sie die Erfahrung, dass die Welt so furchtbar ist, wie sie es soeben erfahren hat.
        Opfer erwarten Sicherheit, Schutz, Geborgenheit. Opfer benötigen das so, wie Säuglinge diesen Schutz benötigen, um überhaupt ins Leben kommen zu können.  Opfer erwarten, dass ihnen die Menschen aus dieser Welt so begegnen, dass sie den völlig erschütterten Glauben an irgend etwas Humanes im Menschen wiedererlangen.
        Nach einem Trauma sind, auch wenn es nicht so aussieht, alle Sinne auf eine besondere Art geschärft, und Sie werden mit Ihrem Tun und Lassen genauso eingegraben sein, wie das Trauma selbst.
        Haben Sie neben der Strafverfolgung auch die Restitution als Ihre Dienstaufgabe akzeptiert, folgt daraus die Konsequenz, Opfer von Gewalt systematisch zu betreuen und informieren.
    Inzwischen wissen Sie, dass das Traumageschehen höchst komplex ist und mehr erfordert als kurze und wohlgemeinte Hilfestellungen nach "gesundem Menschenverstand" oder "aus dem Bauch heraus".
        Welche Kompetenzen brauchen Sie in Ihrem Dienstalltag, um den natürlichen Heilungsprozess des Opfers unterstützen zu können und Ihrer weiteren  Aufgabe der Strafverfolgung gerecht werden zu können? Sie müssen informiert sein über Verwaltungsabläufe und den Gestaltungsraum, der dem Opfer bleibt und Sie müssen den Ablaufprozess eines Traumageschehens und seine möglichen chronischen Verläufe kennen.
        Sie werden dabei unterstützt von der zunehmenden Zahl kompetenter Psychotraumatologen (Psychotherapeuten und Ärzte) , Beratungsstellen, Versorgungsämtern und zunehmend durch Opferbeauftragte und Mitarbeiterschulung.
        Sie kommen zunehmend in die Lage, die Irritationen der von Traumatisierung  Betroffenen zu erkennen . Sie sind auch zunehmend befähigt, die Opfer bei der ersten Verarbeitung der traumatischen Erfahrung zu begleiten und ihnen zu helfen, die für sie selber als fremdartig empfundenen Reaktionen während des Ereignisses als natürlichen Überlebensprozess unter Stress annehmen zu können. Sie können ihnen vermitteln, dass die dem Opfer oft selbst als ,,verrückt" erscheinende Reaktionen verständlich sind unter dem Einfluss einer ungewöhnlichen Extremsituation.
        Sie wissen, dass eine traumatische Erfahrung es unmöglich macht, das Geschehen adäquat auf der  Handlungsebene, in  der Wahrnehmung zu verarbeiten.
        Sie wissen auch, dass Ihr eigenes Selbst sich gegen das Grauen und die Erschütterung, das der unmittelbare Umgang mit Gewaltopfern auslöst, versucht  durch Abwehrmechanismen zu schützen. Diese helfen einsatzfähig zu bleiben, verstellen aber auch den Blick für die Besonderheit der aktuellen Belastungssituation des Opfers.

    Fallvignette:

    Manchmal wird diese Abwehrhaltung durchlässig. Eine Polizistin beschreibt in einem Opferschutzseminar ihre eigenen Erlebnisse nach einem Einbruch in ihre Wohnung. Durch ihre Schilderung erlebten die anderen Seminarteilnehmer dichter als bei den ihnen sonst unbekannten Opfern, was es bedeuten kann, sich im eigenen Haus nicht mehr sicher zu fühlen und welche Konsequenzen auch für einen wehrhaften, widerstandsfähigen und kompetenten Menschen eine solches Erlebnis hat.

    Sie wissen zu unterscheiden zwischen hilfreicher Routine im Sinn von Kompetenz, die den Kopf freihält und den Blick weit macht, und der Routine, die abstumpfender Gewohnheit gleichkommt.
    Sie haben den Perspektivenwechsel von der eigenen Abwehr hin zur konkreten Opfersituation vollzogen. Deshalb besuchen Sie auch diese Fortbildungsveranstaltung. Sie sind sensibilisiert und können die passenden Handlungsanleitungen geben, um Langzeitfolgen und sekundäre Viktimisierung zu vermeiden.

        Wie können Sie nun Schutz Sicherheit und Geborgenheit vermitteln und gleichzeitig Ihrer Ermittlungspflicht nachkommen? Wo finden Sie den gemeinsamen Nenner von menschlichem Umgang mit den Betroffenen, Ihren oft widersprüchlichen Dienstanweisungen, der Vorrangigkeit der Tataufklärung, Ihrer Angst vor Fehlern und Druck von ,,oben"? Was kann dieser Nenner sein, wenn Sie am liebsten nicht in dieser Konfrontation wären, Ihre Abwehr sich mobilisiert und Sie ins Spüren kommen? Der kleinste gemeinsame Nenner könnten gemeinsame Interessen sein, z. B. den Täter zu finden, aber vor allem, das Opfer nicht weiter zu schädigen und damit selber zur Täterin zu werden. Zunächst ist es wichtig, den Rahmen,
    das ,,setting"  zu schaffen, in dem das Opfer sich so wohl als möglich fühlen kann.


    5. Handlungsleitfaden

    An Unfallorten ist es wichtig, das Opfer aus dem Geschehen herauszunehmen, es mit Decken zu versorgen, erste Hilfe zu leisten, wozu auch das "Herunterreden" gehört. Sichern Sie nicht nur die Unfallstelle, sondern auch das Opfer. Weiterhin sind Neugierige fernzuhalten. Es reicht nicht hin, den Betroffenen ,,am Straßenrand abzusetzen" und auf den Notarzt zu warten - der meist auch nicht in der Lage ist, mit den psychischen Begleitsymptomen der Traumatisierung umzugehen, da er sich auf den Körper konzentrieren muss. Ähnliches gilt beim Katastropheneinsatz.
        Finden Gespräche in einer Dienststelle statt, so ist es unabdingbar, dass Sie einen absolut ruhigen, geschützten, hellen, aber nicht grell ausgeleuchteten, und vor allem übersichtlichen Raum wählen. Vermeiden Sie alle Störungen von Außen. Stellen Sie das Telefon ab und hängen Sie ein Schild ,,Auf keinen Fall stören" an Ihre Türe. Sorgen Sie dafür, dass Ihnen viel Zeit zur Verfügung steht. Drängen Sie nicht auf ein rasches Ergebnis. Sorgen Sie für Getränke und etwas zu Essen. Unter Stress arbeitet auch der Zuckerstoffwechsel anders und es könnte zu einer Unterzuckerung kommen. Bieten Sie dem Opfer an, eine Begleitperson ihres Vertrauens mitzubringen oder eine Person hinzuzuziehen (z.B. Mitarbeiterin eines Frauenhauses, eine Traumatherapeutin, die Opferschutzbeauftragte). Fragen Sie unbedingt, ob das Opfer von männlichen oder weiblichen Personen befragt sein will. Vermeiden Sie , wenn Sie die Person des Vertrauens geworden sind, unbedingt einen Personalwechsel.
    Fragen Sie, auf welchem Platz im Raum die Person sich am wohlsten fühlt . Bieten Sie ihr dort einen Platz an. Manche Menschen können nicht sitzen bleiben. Sie müssen laufen, um die nicht zu Ende gebrachten Fluchtbewegungen abzureagieren, oder sie machen Bewegungen , des nicht zu Ende geführten Kampfes. Lassen Sie das bitte unbedingt zu, ohne es abwertend zu kommentieren oder die Person zur Ruhe zwingen zu wollen.
    Besser ist es zu fragen, ob Sie die Person beim Laufen begleiten sollen oder ob Sie sitzen bleiben sollen. Sollte das Opfer den Wunsch haben an einem anderen Ort befragt zu werden, so ermöglichen Sie  auch das. Auch wenn Sie es gut meinen, fassen sie die Person nie ungefragt an. Besser ist im Bedarfsfall zu fragen, ob sie Ihre Hand nehmen möchte.

        Sagen Sie niemals: "So schlimm ist es nicht."  "Nehmen Sie sich zusammen." Auch nichts, was inhaltlich ähnlich ist. Sie können nicht wissen, was in dem Menschen vorgeht.

        Stellen Sie keine Suggestivfragen. Akzeptieren Sie ein: "... ich weiß nicht..." Vergewissern Sie sich immer wieder, ob es in Ordnung ist, wie Sie sich verhalten, wie Sie fragen, ob Sie Pausen einlegen sollen. Die sonst üblichen und auch erfolgreichen Fragetechniken sind für die meisten Traumatisierten verwirrend und verunsichernd, oft bedrohlich. Die Aussagen sind dann nicht zu verwerten, und je mehr Sie bohren, desto unverwertbarer werden die Aussagen für das Gericht, auch wenn sie sich auf dem Papier gut lesen. Je nach Traumaverarbeitung färben sich die Aussagen, und es spricht in dem Fall auch für Glaubwürdigkeit, wenn Sie Erinnerungslücken feststellen oder eine Unstimmigkeit beim Erinnern.
        Wenn Sie dem Opfer mehr als eine Aussage abzwingen, steigt die Verwirrung und Irritation, führt zu erlebnisfremden Aussagen und verhindert die Traumaverarbeitung. Sie werden - ohne es gewollt zu haben - zur Folgetäterin.

        Als Faustregel gilt: Soviel Kontrolle als möglich muss der befragten Person über die Situation bleiben. Eine weitere Faustregel: Hole den Menschen da ab, wo er steht.

        Wenn sie redet, hören Sie zu. Besteht eine Sprechblockade unmittelbar nach dem Ereignis oder steckt der Schrei noch im Hals, unterstützen Sie das Opfer achtsam beim Selbstausdruck.
    Findet sie die Worte wieder, sind sie auf gutem Weg.

        Ist das Trauma länger als sechs Monate her, gelten andere Regeln. Sprechen kann in dem Fall mehr schaden als nutzen. Setzen Sie sich mit einer auf  Behandlung von Traumata spezialisiertem Therapeutin in Verbindung. Sorgen Sie für die Verfügbarkeit entsprechender Listen in Ihrer Dienstelle.
        Informieren Sie das Opfer über Hilfsmöglichkeiten. Bieten Sie Begleitung an. Für Überlebende von Traumata ist die Welt nicht mehr sicher und trägt die Erde nicht mehr.
        Sie erhalten Infomaterial über das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, außerdem über die Landesministerien, das deutsche EMDR - Institut, Emdria etc. Im Anhang finden Sie eine Adressenliste.

    Was tun bei Schockreaktion, Affektdurchbrüchen und Versteinerung?

    Unter Schock zeigen Opfer entweder einen Hyperarrousal  , das sind sehr heftige Reaktionen wie Bewegungen , Impulse wegzurennen aber auch Schreien, stereotype (sich wiederholende) scheinbar sinnlose Bewegungsabläufe.  Diese Abläufe sind auf der muskulären Ebene  oftmals der Ausdruck einer unterbrochenen Handlung, die der Körper versucht zu Ende zu führen. Solche Abreaktionen können zur Verarbeitung sinnvoll sein.
    Es gibt aber auch Erregungszustände, die sich "einschleifen" und sich bis zum Zusammenbruch steigern können.
        Bei Erregungszuständen können Sie durch achtsames beruhigendes Reden nach und nach den Zustand verändern helfen. Auch indem Sie versuchen, mit der Person auf und ab zu gehen. Bewegung senkt den Adrenalinspiegel.
        In der Hypnotherapie nennt man diese Technik pacing und leading , d.h. Begleiten und Führen. Indem erst begleitet wird, kann durch den entstandenen Kontakt die Führung übernommen werden.
    Handelt es sich um Bewegungen, die Handlung fortsetzen, können sie diese, z. B. Fluchtbewegungen, mitmachen und nach und nach das Tempo reduzieren und so die Betroffene gut begleiten.
        Die Gegenreaktion im Schock ist die Bewegungsstarre, die Apathie bis hin zum Stupor (Erstarrung) . Dabei ist es wichtig, die Betroffene im Hier und Jetzt zu halten versuchen oder den Kontakt über die Aktivierung verschiedener Sinneskanäle wieder herzustellen. Sie können auch nachfragen, was war, und dabei möglichst auf der Verstandesebene bleiben, um die Prozesse in der Broca-Region und im Frontalcortex in Gang zu bringen.
    Damit wird die Fähigkeit der Verarbeitung gefördert.
        Diese ist Voraussetzung für eine gerichtsverwertbare Zeugenaussage.

    Was tun beiKontrollverlust?

    Unter Kontrollverlust ist das Erleben zu verstehen, über die eigenen Handlungsabläufe nicht Frau zu sein, sie nicht vorhersagen oder beeinflussen zu können. Das geschieht u.a. bei den beschriebenen flash backs.
    Sie können in einem solchen Fall dadurch hilfreich sein, wenn Sie für optimale Transparenz des Geschehens sorgen. Sie helfen dadurch, dass die Realität und die Handlungen wieder überschaubar werden, Strukturen und Regeln erkennbar werden. Das erreichen Sie, indem Sie genau kommentieren, was  genau geschehen wird, was Sie zu tun gedenken, wer mit dem Opfer zu tun haben wird, wohin Sie fahren oder gehen.
    Beschreiben Sie im Vorfeld, wie es dort sein wird, wohin Sie fahren,  welche Zeit Sie für den jeweiligen Schritt benötigen, ob und wie lange das Geschehen andauert. Es ist vergleichbar, als müssten Sie einem Blinden eine Landschaft erklären. Eine traumatisierte Person kann in verschiedenen Bereichen durch das Ereignis ,,blind" geworden sein. Sie sind dann die orientierende Begleitung in dieser Realität.
     

    Was tun für das Sicherheitsbedürfnis?

    Wichtige Hilfen sind bereits im Handlungsleitfaden beschrieben. Neben der Erstsicherung das Opfer vom Tatort  und ggf. vom Täter entfernen.
    Schamvolle Situationen entschärfen durch Zudecken, das Opfer nicht zu lange oder direkt ansehen.  Berühren Sie die Person nur nach Vergewisserung, ob es für sie angenehm ist. Eigene Schreckreaktionen nicht verbalisieren.
    Ergänzungen sind noch Hinweise auf Trost. Holen Sie das Opfer ins Hier und Jetzt. Bestätigen Sie ihm immer wieder, dass es  jetzt vorbei ist, dass es jetzt mit und bei Ihnen sicher ist. Fragen Sie die Person, ob sie einen besonderen Trostspender hat. Bei Kindern kann es ein Kuscheltier oder ein Schnuffeltuch sein.
    Bitte bleiben Sie beim Opfer. Wenn sie Sie wegstößt, halten Sie etwas Abstand, bleiben aber in der Nähe. Das ist auch notwendig, um Selbstschädigung zu vermeiden.
     

    Was tun bei Hilflosigkeit?

    Menschen, die sich in einer Situation hilflos fühlen, regredieren auf die Lebensaltersstufe zurück, in der sie zuletzt Sicherheit erlebten oder in der sie über Handlungs- und Denkkonzepte verfügten, mit denen sie sich Sicherheit schaffen konnten. Das ist ein völlig natürlicher Vorgang, wenn Menschen sich ausgeliefert fühlen, nicht  nur bei Traumatisierungen.
    Bei einer Traumatisierung ist es wichtig, die Ressourcen, die Kompetenz und damit die Autonomie des Opfers zu stärken.  Verhindern Sie Verstrickungen im Behördendschungel, der nur Insidern vertraut sein kann. Überfrachten Sie sie nicht mit Formularen. Setzen Sie die Opfer, weder Kinder noch Erwachsene, auf keinen Fall - möglichst noch für Stunden - allein vor Bildkarteien. Sorgen Sie für Transparenz in allen Abläufen.
    Manchmal ist die Hilflosigkeit so überwältigend, dass sie für das im Moment ausgefallene ,,Ich" des Opfers Stützungs- und Hilfsfunktionen übernehmen müssen. Das geschieht am Besten dadurch, wenn Sie sich wie eine fürsorgliche ältere Freundin verhalten. Dazu können Ermunterungen zu ganz normalen Handlungen gehören, z. B. sich etwas überzuziehen, etwas Warmes zu trinken, von einem ungünstigen Platz aufzustehen etc.
     

    Was tun bei Wahrnehmungstörungen?

    Das Wahrnehmungssystem der meisten Opfer ist instabil oder durch Focussierung der Aufmerksamkeit in einigen Bereichen überscharf, in anderen ausgeschaltet (Das kann nicht sein, das ist nicht mir passiert, das ist nur ein Traum, mein Kind lebt noch, gleich kommt es wieder, es ist nicht so schlimm - dabei fehlt ein Stück Muskel aus einem Körperteil oder ähnlich, hören und verstehen können, was ein Zimmer weiter im Telefon gesagt wird). Diese überhöhte Wachsamkeit nenn man Hypervigilanz. Als erster Schritt ist die Bestätigung der Wahrnehmung wichtig, damit sich das System wieder auf einen stabilen Zustand kalibriert.
        Opfer sind erst dann fähig, über den tatsächlichen Ablauf des Geschehens zu sprechen, wenn alle dissoziierten (abgespaltenen) Teile integriert sind, wenn das Trauma verarbeitet ist. Das kann in manchen Fällen - vor allen bei mehrfach Traumatisierten oder Dauertraumatisierten - Jahre dauern. Manchmal sind die Erlebnisse so schrecklich, dass sie nie verarbeitet werden können, dem Opfer eine komplette Rekonstruktion unmöglich ist.
        Sie müssen wissen, dass es oft nur fragmentarisches Erinnern gibt, und das muss nicht den visuellen Speicher erreicht haben. Es kann auch ein Teilerinnern auf der Körperempfindungsebene sein, ohne alle Bilder. Es können Gerüche sein oder auch jeder andere Sinneskanal. Das Geschehen muss erst mühsam, gleichsam als Begleitmusik der Traumaintegration, zusammengeführt werden. Manche Menschen erreichen diesen Zustand nie.
        Widersprüchlichkeiten zwischen Aussagen lassen sich genau daraus erklären und beeinträchtigen nicht die Glaubwürdigkeit. Sie sind der Traumareaktion immanent.
        Wenn Sie diese Punkte berücksichtigen, erleichtern Sie dem Opfer die schwere Zeit der Vernehmung.
    Im Anfang ist es lediglich möglich, ein "Narrativ", eine subjektive Erlebnisbeschreibung, zu erhalten. Versuchen Sie zu dem Zeitpunkt eine sachbezogene   Aussage zu erzwingen, wird diese eher Ihrer Vorstellung entsprechen, nicht aber dem Tathergang. Haben Sie Geduld, das Narrativ sich  entwickeln zu lassen, erhalten Sie wichtige Hinweise. Amnesien sind häufig und können nicht ,,geknackt" werden.  Das Gehirn Traumatisierter  ist auf Überleben eingestellt und nicht darauf, einer Strafverfolgungs-behörde eine Aussage mit "logischer Konsistenz" (nach Steller et al .1992) zu liefern.
        Erinnerung ist immer ein Konstrukt der  subjektiven Wahrnehmung, ist immer eine Landkarte, niemals das Abbild einer  objektiven Realität. Jeder ist der Mittelpunkt seines Universums. Dass wir uns mit  Bewohnern aller anderen Universen überhaupt verständigen können, ist eher ein Wunder.
    Selbst wenn das Ereignis scheinbar photograhisch abgespeichert ist, Sie hätten es anders gesehen und würden es anders beschreiben.
    Erinnerung ist durch den Rekonstruktionsprozess Wiedererleben. Es kommt zu Intrusionen, das sind Überschwemmungen durch Erinnerung. Diese führen nicht selten in eine Retraumatisierung. In einem solchen Fall werden Sie unmittelbar zur Täterin.
        Um sich zu stabilisieren und zu überleben, muss das Opfer Gedächtnislücken haben, die Erinnerung verzerren und vermeiden. Die Biologie sorgt für die zum Überleben notwendige Stabilisierung des Gesamtorganismus. Diese Prozesse sind mit den modernen bildgebenden Verfahren darzustellen. Wird eine Betroffene an das traumatische Ereignis erinnert und hat es dieses nicht verarbeitet, wird das Gehirn völlig inaktiv. Bei diesen Formen der Wahrnehmungsstörung hilft Geduld, Akzeptanz, die Verweisung auf weiterführende Hilfen und die Beschränkung auf die ohne Druck erhaltenen Ergebnisse.


    6. Selbstfürsorge

    Der notwendigen Selbstfürsorge wird oft zu wenig  zeitlicher Raum gegeben und sie wird in ihrer Notwendigkeit - nicht zuletzt auch von Arbeitgebern -  nicht ernst genommen.
    Selbstfürsorge ist unabdingbar, da das Erleben von Traumatisierungen Dritter auch zu eigenen Traumatisierungen führt.
        Es wird von primärer, sekundärer und tertiärer Traumatisierung gesprochen.
    Primär traumatisiert ist das Opfer, sekundär traumatisiert werden kann der Helfer. Ein Zuhörer kann tertiär durch die Schreckensbeschreibungen traumatisiert werden. Hiervon betroffen sind Therapeuten, Verwandte, Vernehmungsbeamte auch Pfarrer, also alle die, die die Geschichten wieder und wieder hören. Ohren haben im Gegensatz zu Augen keine Lider. Das Weghören ist auch nicht intendiert.
        Wie also können Sie sich  schützen und die notwendige Distanz halten, die Sie erst zur Hilfeleistung befähigt? Der Selbstschutz muss sich auf verschiedene Bereiche erstrecken. Er muss Schutz geben während des Kontaktes, unmittelbar danach, im Dienstbereich und später im häuslichen und Freizeitbereich.
    Jeder Angehörige dieser Berufe muss lernen, sich selber Schutz und Geborgenheit zu vermitteln, bei aller gegebenen Unwägbarkeit, die das Leben bietet. Nur wenn Sie  für sich erspüren, was Sie benötigen, um sich selber zu schützen, und sich selber "füttern" können, sind Sie gut in der Lage, sich einzufühlen und Betroffene begleiten zu können ohne auszubrennen.
        Eine goldene Regel, die angeblich vor über tausend Jahren in den Basaren des Orients geprägt wurde und heute wichtiger denn je ist, heißt:
    ,,Lasse die Sorgen des Marktes die Sorgen des Marktes und die Sorgen des Hauses die Sorgen des Hauses sein." Um diese Regel befolgen zu können, ist es möglich, mentale Techniken zur kontrollierten Dissoziation zu erlernen, Stressmanagementtechniken zu trainieren und zu üben, das Schöne, das es neben allem Grauen gleichzeitig und im gleichen Maße in der Welt gibt, zu erfahren.
        Versuchen Sie mit sich selber so achtsam umzugehen, wie Sie es mit dem Opfer machen. Das beinhaltet auch, die eigenen traumatisierenden Stressoren zu kennen, zu würdigen und sie, wenn sie nicht vermeidbar sind, so weit wie möglich und sinnvoll fern zu halten. Dies sollte jedoch nicht unbewusst auf der Abwehrebene geschehen. Das blockiert das Mitgefühl, das für gute Arbeit auch notwendig ist. Es sollte bewusst eingeübt werden, um diesen Schutz kontrolliert da einsetzen zu können, wo immer es hilfreich und sinnvoll ist. Möglichst oft am Tag. Sie müssen dabei nicht in tiefe Trance fallen. Die Techniken, die Spitzensportler zur Leistungsoptimierung einsetzen, eignen sich sehr gut zur Selbstfürsorge. Ich stelle Ihnen im Folgenden einige Visualisierungsübungen vor, die aus anderen Zusammenhängen speziell für Arbeit im Traumabereich von Frau Dr.
    Reddemann und Prof. Sachsse  modifiziert  wurden.
     

    6.1 Übungen

    6.1.1.Entspannungsinduktion

    ,,Nehmen Sie jetzt eine für Sie bequeme Körperhaltung ein: Sie können liegen, aber auch bequem sitzen. Sie können ihre Augen schließen, wenn Sie möchten, aber auch die Augen offen lassen: Dann empfehle ich Ihnen, sich einen Punkt zu sichern, auf den Sie Ihre Augen richten.
    Wenn Sie sich nicht entspannen  möchten, ist es auch in Ordnung.
    Wenn Sie möchten, treffen Sie jetzt eine bewusste Entscheidung, dass Sie sich Ihren inneren Wahrnehmungen öffnen möchten. Sie haben in jedem Augenblick die Kontrolle über alles, was geschieht. Damit Sie sich dieser Kontrolle sicher sind, können Sie einen Körperteil angespannt lassen.
    Entspannen Sie ihren Körper jetzt auf eine für Sie vertraute und angenehme Weise (Falls der Patient keine Entspannungstechnik kennt, empfiehlt sich die Konzentration auf den Atem oder eine bewusste Konzentration auf den Körper, indem man mit der inneren Aufmerksamkeit achtsam vom Scheitel bis zu den Füßen wandert oder umgekehrt und überall dort, wo man Verspannungen wahrnimmt, den Atem hinlenkt).
    Wenn Sie mögen, stellen Sie sich vor, dass Sie mit jedem Atemzug mehr in die Entspannung eingehen."

    Der innere sichere Ort

    Übung:

    Entspannungsinduktion. – Ich bitte Sie jetzt, daß Sie jetzt in Ihrem Inneren schauen, nach einem sicheren Ort, an dem Sie sich ganz wohl fühlen und den nur Sie allein betreten können. Vielleicht sehen Sie Bilder, vielleicht spüren Sie etwas, vielleicht denken Sie zunächst auch nur an einen solche Ort.
    Lassen Sie auftauchen, was immer auftaucht und nehmen Sie es an.„ Sollten an diese Stelle unangenehme Bilder auftauchen, was möglich ist, lade ich die Patienten ein, „weiterzugehen„. Ich versichere sie, daß es ganz bestimmt diesen sicheren Ort auch für Sie gibt. Manchmal finden Patienten Orte und wissen nicht, wie sie dort hingelangen sollen, weil diese so weit entfernt sind.
    Dann empfiehlt sich das Suchen von Hilfsmitteln, z. B. ein Boot oder Flugzeug oder auch magische Hilfsmittel. wie ein Zauberstab. „Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn, Sie das Gefühl haben, daß Sie jetzt an einem sicheren Ort sind.„
    „ Wenn Sie möchten können Sie mir jetzt Ihren sicheren Ort beschreiben. Wenn es Ihnen lieber ist, mir nichts darüber zu sagen, ist das für  mich in Ordnung. Bitte prüfen Sie, ob Sie sich dort wirklich ganz und gar wohl und sicher fühlen. Schauen Sie nach, ob Sie es sich dort wirklich bequem machen können. Es ist wichtig, daß Sie sich vollkommen wohl, sicher und geborgen fühlen. Richten Sie sich Ihren sicheren Ort also bitte so ein, daß dies  möglich ist.„ (Man kann jetzt entweder mit den Patienten die Details durchsprechen oder mehrfach nachfragen, ob wirklich  alle  Voraussetzungen von ihnen geschaffen sind, daß sie sich ganz wohl fühlen.)
    Wenn der sichere Ort erreicht und für das völlige Wohlbefinden gesorgt ist: „Spüren Sie jetzt bitte ganz genau, wie es Ihrem Körper damit geht, an diesem Ort zu sein... Verabreden Sie jetzt mit sich selbst ein Zeichen, mit dessen Hilfe Sie jederzeit an den sicheren Ort gehen können. Sie können z.B. eine Faust machen oder sich die Hände geben. Immer wenn Sie diese Geste machen werden, können Sie  an den sicheren Ort gehen, wenn Sie es möchten. Führen Sie diese Gestik jetzt bitte auch aus, damit Ihr Körper sich erinnert. Die Gestik kann so ein, daß ich sie bemerken kann, aber auch so, daß nur Sie allein sie kennen... Spüren Sie bitte noch einmal, wie gut es Ihnen jetzt an diesem sicheren Ort geht und kommen Sie dann bitte wieder zurück in diesen Raum.

    6.1.2 Innerer Helfer

    Entspannungsinduktion. - Ich bitte Sie jetzt, dass Sie jetzt in Ihrem Inneren schauen nach einem sicheren Ort, an dem Sie sich ganz wohl fühlen und den nur Sie allein betreten können. Vielleicht sehen Sie Bilder, vielleicht spüren Sie etwas, vielleicht denken Sie zunächst auch nur an einen solche Ort.
    Lassen Sie auftauchen, was immer auftaucht und nehmen Sie es an.? Sollten an diese Stelle unangenehme Bilder auftauchen, was möglich ist, lade ich die Patienten ein ,,weiterzugehen". Ich versichere sie, dass es ganz bestimmt diesen sicheren Ort auch für Sie gibt. Manchmal finden Patienten Orte und wissen nicht, wie sie dort hingelangen sollen, weil diese so weit entfernt sind.
    Dann empfiehlt sich das Suchen von Hilfsmitteln, z. B. ein Boot oder Flugzeug oder auch magische Hilfsmittel. wie ein Zauberstab. Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn, Sie das Gefühl haben, dass Sie jetzt an einem sicheren Ort sind.
    Wenn Sie möchten, können Sie mir jetzt Ihren sicheren Ort beschreiben. Wenn es Ihnen lieber ist, mir nichts darüber zu sagen, ist das für  mich in Ordnung. Bitte prüfen Sie, ob Sie sich dort wirklich ganz und gar wohl und sicher fühlen. Schauen Sie nach, ob Sie es sich dort wirklich bequem machen können. Es ist wichtig, dass Sie sich vollkommen wohl, sicher und geborgen fühlen. Richten Sie sich Ihren sicheren Ort also bitte so ein, dass dies  möglich ist.? (Man kann jetzt entweder mit dem Patienten die Details durchsprechen oder mehrfach nachfragen, ob wirklich alle Voraussetzungen von ihnen geschaffen sind, dass sie sich ganz wohl fühlen.)
    Wenn der sichere Ort erreicht und für das völlige Wohlbefinden gesorgt ist: ,,Spüren Sie jetzt bitte ganz genau, wie es Ihrem Körper damit geht, an diesem Ort zu sein... Verabreden Sie jetzt mit sich selbst ein Zeichen, mit dessen Hilfe Sie jederzeit an den sicheren Ort gehen können. Sie können z.B. eine Faust machen oder sich die Hände geben. Immer wenn Sie diese Geste machen werden, können Sie  an den sicheren Ort gehen, wenn Sie es möchten. Führen Sie diese Gestik jetzt bitte auch aus, damit Ihr Körper sich erinnert. Die Gestik kann so ein, dass ich sie bemerken kann, aber auch so, dass nur Sie allein sie kennen... Spüren Sie bitte noch einmal, wie gut es Ihnen jetzt an diesem sicheren Ort geht und kommen Sie dann bitte
    wieder zurück in diesen Raum."

    Traumakurse 2.000 Dr. Luise Reddemann
     

    6.1.3.Innerer Beobachter

    Bitte nehmen Sie sich einen Moment Zeit, Ihren Körper zu spüren und wahrzunehmen, dass Ihr Körper Kontakt hat mit dem Boden... Registrieren
    Sie bitte, dass Ihr Körper atmet, und nehmen sie die Bewegungen Ihres Körpers beim Atmen wahr... . Machen Sie sich jetzt bitte bewusst, dass es Ihnen möglich ist, Ihren Körper beobachten, Sie verfügen über die Fähigkeit, sich selbst zu beobachten,  daraus können Sie den Schluss ziehen: ich kann meinen Körper beobachten und das heißt, ich bin mehr als mein Körper. Bitte denken Sie einen Moment darüber nach... . Nehmen Sie jetzt für einen Weile Ihre Gefühle wahr... . Sie haben jetzt Ihre Gefühle beobachtet, weil Sie über die  Fähigkeit verfügen, sich selbst zu beobachten.
    Wiederum können Sie jetzt den Schluss ziehen: ich kann meine Gefühle beobachten, also bin ich mehr als meine Gefühle, spüren Sie dieser Erkenntnis einige Momente lang nach...  Jetzt möchte ich Sie einladen, sich zu beobachten, dass Sie denken und was Sie denken. ... Und wiederum können Sie aus der Tatsache, dass Sie fähig sind, sich beim Denken zu beobachten den Schluss ziehen: ich kann meine Gedanken beobachten, also bin ich mehr als meine Gedanken. ...Sie können sich auch beim Beobachten beobachten... Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit dafür... vielleicht können sie dabei eine Erfahrung von tiefer Ruhe machen... Falls Sie möchten können Sie diesem beobachtenden Teil auch eine Gestalt geben... . Kommen Sie dann mit der vollen Aufmerksamkeit zurück in den Raum.

    Traumakurse 2000 Dr. Luise Reddemann
     

    6.1.4 Tresorübung

    Entspannungsinduktion. - "Stellen Sie sich einen inneren Safe , einen Tresor vor und packen Sie alles was Sie derzeit belastet, dort hinein... .
    Verschließen Sie die Tür und schauen Sie, wo Sie die Schlüssel deponieren wollen... ."

    Luise Reddemann und Ulrich Sachsse
     

    6.1.4.1 Tresorübung 2

    Entspannungsinduktion.-  Nehmen Sie alles, was Sie jetzt von dem Geschehen vor Ihrem inneren Auge haben und mit Ihrem inneren Ohr hören, machen Sie einen ( Ton-)Film daraus und bannen diesen Film auf eine Filmspule.
    Achten Sie darauf, ob es eine der alten großen Spulen ist, eine kleine moderne Videospule, vielleicht verfügen  Sie bereits über Digitaltechnik. Auf welches Medium Sie Ihren inneren Film auch bannen, verpacken Sie das Material gut. Legen Sie die Hülle in einen Karton, diesen Karton in eine Kiste und verschließen Sie diese Kiste Gut. Vielleicht gibt es da einen Verschlussmechanismus oder ein Siegel.
    Schaffen Sie dann die Kiste in einen Tresor Ihrer Wahl. Achten Sie darauf, wie groß er ist, wo er sich befindet, aus welchem Material er gebaut ist, wie dick die Wände sind. Wie sieht die Tür aus, wie fühlt sie sich an. Wie ist der Verschlussmechanismus beschaffen. Können Sie den Tresor betreten?
    Lagern Sie die Kiste an dem Platz im Tresor, der angemessen ist. Schreiben Sie den Lagerplatz in ein Register, damit Sie die Kiste wiederfinden können, wenn Sie sie benötigen.
    Verschließen Sie den Tresor und merken sich, wie er verschlossen und geöffnet wird. Alles ist nun gut und sicher untergebracht und Sie können unbeschwert Ihren Alltagsgeschäften nachgehen.


    7. Literatur

    Externer Link: (wichtiger Hinweis)  sehr ausführliche und gut gepflegte Internet-Seite zu allen Aspekten der Traumatologie: https://www.trauma-response.com/traumalinks.html
     

  • Hofmann, Arne (1999). EMDR in der Therapie psychotraumatischer Belastungssyndrome. Stuttgart - New York: Georg Thieme Verlag.
  • Egle, Ulrich Tiber; Hoffmann, Sven Olaf &  Joraschky, Peter (1997). Sexueller Mißbrauch, Mißhandlung, Vernachlässigung Stuttgart: Schattauer Verlagsgesellschaft mbH
  • Everly George S.,Jr. & Mitchell Jeffrey T. (1998). Streßbearbeitung nach belastenden Ereignissen. Wien: Verlagsgesellschaft Stumpf & Kossendey mbH-Edewecht.
  • Sachsse, Ulrich; Reddemann Luise (1997). Traumaexpositionstechniken in PTT Persönlichkeitsstörungen 2/98 [Schattauer Verlag, Stuttgart]
  • Reddemann Luise, Sachsse Ulrich (1998): Stabilisierung in PTT.  Persönlichkeitsstörungen 3/97.  Schattauer Verlag, Stuttgart
  • Sachsse, Ulrich (1997): Psychotherapeutisches Seminar. In: Fundamenta Psychatrica; 11:169-78. Schattauer Verlagsgesellschaftr mbh
  • Shapiro, Ph.D. (1994). Fortgeschrittenenseminar in der EMDR - Methode Manual. Übersetzung: Dipl. -Psych. Norvy Mark und Dr. med. Ebner Franz
  • Shapiro, Ph.D. (). EMDR Einführungskurs Level 1 Manual. Übersetzung: Dr. med. Hofmann Arne, Dipl.- Psych. Schüller Klaus, Dipl. med. Ebner Franz Dipl..-Psych. Novy Mark u. Birte.
  • Tinkert, Robert;  Wilson, Sandra A. (dt. 2000, engl.1999). EMDR mit Kindern. Paderborn: Junfermann.

  •  

     


    8. Wer kann helfen?
     
    EMDRIA Deutschland e.V.
    Am Siebrassenhof 70
    33605 Bielefeld
    Tel. 0521-26303
    Fax.0521-2399234
     
     

     

    Bundesgeschäftsstelle 
    Weisser Ring
    Weberstraße 16
    55130 Mainz
    Tel.: 06131 / 83030
    Fax: 06131 / 830345
     

     

    Universität Köln
    Klinische Psychologie und Psychotherapie
    Prof. Dr. G. Fischer,
    Zülpicher Straße. 45 (Rundbau), 50923 Köln
    Psychologische Beratungs- stelle für Kriminalitätsopfer
    02245 / 9194 –14
    EMDR Institut Deutschland
    Dr. med. Arne Hofmann
    Junkersgut 5a
    51427 Bergisch Gladbach
    Tel. +49-2204-25866
    Fax +49-2204-963182
    Bundesweites Info Telefon + Opfer Notruf
    01803 – 34 34 34
    (rund um die Uhr – 0,18 DM pro Minute)
    Frauen helfen Frauen
    in Bad Salzungen  und Meiningen
    zu erfragen bei:
    Landesverband Thüringen e.V.
    E-mail: Paritaetthuer@t-online.de
    Bergstraße 11
    99192 Neudietendorf
    Weisser Ring
    Thüringen
    Schillerstraße 22
    99096 Erfurt
    Tel.: 0361/346 46 46
    Fax: 0361/346 46 47
     
    Beratung und Hilfe in Mittelfranken (allgemein)


    9. Berufsbiographische Daten zu den AutorInnen

    Berufsprofil Gabriele Kluwe -Schleberger
    Kommunikationsdaten und Bildnis > Homepage
    Gabriele Kluwe–Schleberger, Jahrgang 1951, Diplom- Sozialarbeiterin, Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, Kinder – und Jugendlichentherapeutin Klinische Psychologin/Psychotherapeutin/Supervisorin BDP, Suchttherapeutin (GSM Göttingen) , Weiterbildung in Gesprächspsychotherapie, Verhaltenstherapie, Transaktionsanalyse, Hypnose, provokativer Therapie, Neurolinguistischem Programmieren, Traumatherapie, EMDR (Supervisor). Mir wichtige Stationen auf meinem Lebensweg :vor und während meiner Studienzeiten "richtige" Arbeit ( Apothekenhelferin, Hochbau, Gastronomie, Wasserwirtschaft), Studium in Darmstadt (Sozialarbeit), Frankfurt (Psychologie, Pädagogik), Kiel (Psychologie), Berlin (Psychologie, Pädagogik; Schwerpunkt: Erwachsenenbildung), Trier (Pädagogik: Erwachsenenbildung). Berufsfelder: Sozial- u. Bildungsreferentin, Leitungsfunktionen in sozialen Einrichtungen; Projektarbeiten im Bereich Psychiatrie, Sucht, Hospizarbeit, klinisch - stationäre Arbeit, Forschungsaufgaben im psychiatrischen Bereich, Freiberufliche Tätigkeit als Unternehmensberaterin, Trainerin, Coach, Therapeutin. Liebe und Mitgefühl für die Schöpfung sind die Basis meines Wirkens in meiner Lebensarbeit. Approbation zur Erwachsenen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit Kassenzulassung. Spezialisierung  auf Psychotraumatologie.

    Berufsprofil Johannes Tammer
    Kommunikationsdaten   jotammer@aol.com
     
    Johannes Tammer, Jahrgang 1949, Diplom-Theologe, Studium an der (heutigen Philosophisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, 1974-1990. Katholischer Seelsorger, seit 1991 Dozent für Berufsethik am Fortbildungsinstitut der Thüringer Polizei in Meiningen; Weiterbildung in Kommunikations- und Stressbewältigungstraining, Debriefingmethode (CISM). Berufliche Schwerpunkte: Führungskrätetraining, Krisenintervention und Polizeilicher Opferschutz. 



    Querverweise
    Querverweis-1: Überblick Forsensische Psychologie, Psychopathologie und Therapie
    Querverweis-2: Zeugen richtig befragen
    Externer Link: (wichtiger Hinweis) sehr ausführliche und gut gepflegte Internet-Seite zu allen Aspekten der (Psycho) Traumatologie: https://www.trauma-response.com/traumalinks.html

    Zitierung
    Kluwe-Schleberger, Gabriele & Tammer, Johannes (DAS). Psychologische Grundlagen des Polizeilichen Opferschutzes. Luxus oder Notwendigkeit? Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/opfer/opfer1.htm
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