Begruendung
B)
Loesung [S. 21]
b) Vollzug der einstweiligen Unterbringung
Der Vollzug der einstweiligen Unterbringung und
der Sicherungshaft (als Oberbegriff für beide Unterbringungsarten
im Folgenden auch: einstweilige Unterbringung) findet seine gesetzliche
Grundlage in § 126a Abs. 2 Strafprozess-
ordnung (StPO) sowie in § 463 Abs. 1 in Verbindung mit § 453c
Abs. 2 Satz 2 StPO jeweils in Verbindung mit § 119
StPO. Dies gilt jedoch nur, soweit Eingriffsbefugnisse zur Abwehr von
Gefahren für die Haftzwecke oder die Ordnung der Anstalt legitimiert
werden. Für darüber hinausgehende Eingriffe nach Maßgabe
vollzugspolitischer Zweckmäßigkeiten und nicht gefahrenabwehrrechtlich
begründeter Abwägungen bietet § 119 StPO keine ausrei- chende
gesetzliche Grundlage (vgl. BVerfG, NStZ 2008, 521; BVerfG, Beschluss vom
04.02.2009, Az. 2 BvR 455/08). In der Vergangenheit wurde die nähere
Ausgestaltung des Vollzugs der einstweiligen Unterbringung ledig- lich
in einer weitgehend ländereinheitlichen Verwaltungsvorschrift, der
Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO), geregelt. Die UVollzO vermochte
aufgrund ihres untergesetzlichen Normcharakters weder Bindungs- wirkung
für die Gerichte zu entfalten noch Eingriffe in die Grundrechte der
einstweilig Untergebrachten zu legitimie- ren. Aufgrund der vergleichbaren
Problematik im Bereich des Vollzugs der Untersuchungshaft wurde in Bayern
am 20. Dezember 2011 das Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft
(Bayerisches Untersuchungshaftvollzugs- gesetz – BayUVollzG) ausgefertigt
(GVBl 2011, 678), das am 1.01.2012 in Kraft trat. Aufgrund der Zuweisung
des Strafvollzugs in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der
Länder durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.
August 2006 ist hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug
der einstweiligen Unterbringung gegenwärtig wie folgt zu differenzieren:
-
Soweit das gerichtliche Verfahren betroffen
ist, liegt die Gesetzgebungskompetenz weiter beim Bund. Hiervon erfasst
ist gleichsam die Frage des „Ob“ des Vollzugs der einstweiligen Unterbringung.
Durch den Bund ist durch das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts
vom 29. September 2009 (BGBl I S. 2274) mit Wirkung zum 1. Januar 2010
eine umfassende Neuregelung der §§ 119 ff. StPO (Anordnung der
einstweiligen Untersuchungshaft, verfahrensbezogene Beschränkungen
der Untersuchungsgefangenen, gerichtliches Verfahren) erlassen worden,
die entsprechend für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung gelten
wird (BT-Drs. 16/11644).
-
Hingegen ist das „Wie“ des Vollzugs der einstweiligen
Unterbringung – also diejenigen Beschränkungen, die zum Schutz der
Allgemeinheit und der Ordnung in der Maßregelvollzugseinrichtung
und zur Behandlung der untergebrachten Person erforderlich sind – von der
Gesetzgebungskompetenz der Länder umfasst.
In der Praxis kann und wird diese „parallele Zuständigkeit“
für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung dazu führen,
dass zu ähnlichen Regelungsbereichen (z.B. bei der Besuchsüberwachung)
vom Gericht verfahrenssichernde Anordnungen erlassen werden, während
die Maßregelvollzugseinrichtung gleichzeitig aus Gründen der
Sicherheit oder des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung
eigenständige - evtl. andere - Anordnun- gen erlässt. Beide Anordnungen
haben in einem solchen Fall Gültigkeit. Unterlässt es das Gericht
hingegen, in einem bestimmten Bereich einschränkende Anordnungen zu
treffen, so bleibt dadurch die Befugnis der Maßregelvollzugs- einrichtung
zu einschränkenden Anordnungen unberührt. Im Beispiel der Besuchsüberwachung
kann also etwa das Gericht die Überwachung der Unterhaltung während
des Besuchs von bestimmten Personen aus verfahrenssichern- den Gründen
anordnen, während etwa die Maßregelvollzugseinrichtung aus Gründen
der Sicherheit oder des ge- ordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung
eine Überwachung nicht für erforderlich hält. In die- sem
Fall muss der Besuch entsprechend den gerichtlichen Anordnungen zur Verfahrenssicherung
überwacht wer- den. Umgekehrt ist die Maßregelvollzugseinrichtung
bei Fehlen einer verfahrenssichernden Anordnung zur Besuchs- überwachung
nicht daran gehindert, nach den Vorschriften dieses Gesetzes zum Schutz
der Sicherheit oder des geordneten Zusammenlebens in der Maßregelvollzugseinrichtung
eine Besuchsüberwachung anzuordnen (vgl. Art. 12 Abs. 2). Insoweit
gelten für gleiche Bereiche jeweils zwei unterschiedliche Regelungsmaterien.
Dieses Neben- einander verschiedener Anordnungsbefugnisse ist die nicht
zu vermeidende Konsequenz aus der Aufspaltung der Gesetzgebungskompetenz
zwischen dem Bund und den Ländern.
b) Neuregelung der Gestaltung des Vollzugs der Maßregeln der
Besserung und Sicherung
Die Ausgestaltung des Vollzugs der Maßregeln der Besserung und
Sicherung war bislang nur punktuell geregelt. Der Gesetzentwurf enthält
nunmehr detaillierte Regelungen und schafft die erforderliche gesetzliche
Grundlage, insbesondere für die Beschränkung der Freiheitsrechte
der untergebrachten Personen. Der Gesetzentwurf enthält die folgenden
wesentlichen Grundpositionen:
aa) Art. 2 Abs. 1 – Ziele der Unterbringung
Im Gesetzentwurf werden die Ziele der Unterbringung klargestellt. Ziele
der Unterbringung gemäß § 63 StGB sind, die Allgemeinheit
vor der Begehung weiterer Straftaten zu schützen und die untergebrachte
Person zu heilen oder ihren Zustand so weit zu bessern, dass sie keine
Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt. Ziele der Unterbringung
gemäß § 64 StGB sind, die Allgemeinheit vor der Begehung
weiterer Straftaten zu schützen und die untergebrachte Person von
ihrem Hang zu heilen und die zugrunde liegende Fehlhaltung zu beheben.
bb) Art. 2 Abs. 2 – Angleichungsgrundsatz
Um die untergebrachten Personen auf eine selbständige Lebensführung
außerhalb des Maßregelvollzugs vorzuberei- ten und sie soweit
wie möglich familiär, beruflich und sozial wieder einzugliedern,
soll der Vollzug der Unterbringung den allgemeinen Lebensverhältnissen
außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung im Rahmen des Möglichen
ange- glichen werden.
cc) Art. 3 Abs. 1 – Betonung der Mitwirkung der untergebrachten Person
Im Gesetzentwurf wird deutlicher als im UnterbrG hervorgehoben, dass
die untergebrachten Personen im Rahmen der Ausgestaltung ihrer Behandlung
aktiv einzubeziehen sind; ihre Wünsche und Bedürfnisse sind bei
allen Maßnah- men im Rahmen des Möglichen zu berücksichtigen.
dd) Art. 3 Abs. 2 – Schaffung einer Generalklausel
Wegen der Vielgestaltigkeit der Herausforderungen des Vollzugs freiheitsentziehender
Maßnahmen im allgemeinen und der besonderen Bedingungen des Maßregelvollzugs
im speziellen ist es zwingend erforderlich, eine Ermächti- gungsgrundlage
für Beschränkungen der Rechte der untergebrachten Personen zu
schaffen, die im Einzelfall erfor- derlich sind, im Gesetz selbst aber
keine konkrete Ausgestaltung erfahren können.
ee) Art. 4 – Aufnahmeverfahren
Im Gesetzentwurf wird erstmals das Aufnahmeverfahren konkretisiert.
Die untergebrachten Personen sind unmittelbar zu Beginn der Unterbringung
durch die Maßregelvollzugseinrichtung über ihre Rechte und Pflichten
umfassend zu informieren und ärztlich zu untersuchen.
ff) Art. 5 bis 7 – Durchführung von Behandlungen
Im Gesetzentwurf ist nunmehr klargestellt, dass die Behandlung der
untergebrachten Person auf Grundlage eines Behandlungs- und Vollzugsplans
durchzuführen ist. Dieser ist kontinuierlich der tatsächlichen
Entwicklung anzupas- sen. Zudem wird künftig zwischen der Behandlung
psychischer (Art. 6) und anderer (Art. 7) Erkrankungen unter- schieden.
Art. 6 stärkt das Selbstbestimmungsrecht der untergebrachten Person
und verlangt, dass Behandlungs- maßnahmen, die in die körperliche
Integrität der untergebrachten Person eingreifen, zur Erreichung der
Ziele der Unterbringung grundsätzlich der Einwilligung der untergebrachten
Person bedürfen. Zugleich werden die engen Voraussetzungen festgelegt,
unter denen eine Behandlung gegen den Willen der untergebrachten Person
zulässig ist. Neu eingeführt wird ein Richtervorbehalt bei Zwangsbehandlungen.
Die Vorgaben des BVerfG zur Zwangsbehand- lung zur Erreichung der Entlassungsfähigkeit
werden mit Art. 6 umgesetzt. Art. 7 enthält eine detaillierte Ausgestal-
tung des Behandlungsanspruchs der untergebrachten Personen wegen anderen
Erkrankungen.
gg) Art. 13 – Außenkontakte
Die Regelungen zur Ausgestaltung der Kommunikation der untergebrachten
Personen mit Personen außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtungen
wurden noch detaillierter gefasst und berücksichtigen eine Vielzahl
von Erfahrungen und Bedürfnissen der Praxis. Die sicherheitsrechtlichen
Standards wurden weiter erhöht. Insbesondere ist nunmehr eine Videoüberwachung
von Besuchen zulässig.
hh) Art. 14 – Religionsausübung
Bereits in der Vergangenheit wurde den untergebrachten Personen in
Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben ein Recht auf Religionsaus-
[>24] übung gewährt. Nun erhält dieses sowohl eine gesetzliche
Grundlage als auch erforderliche Einschränkungsmöglichkeiten.
ii) Art. 16 bis 20 – Lockerungen des Vollzugs
Lockerungen des Vollzugs stellen eine der entscheidenden Voraussetzungen
zur Erreichung der Ziele der Unterbrin- gung dar. Dieser Regelungsbereich
ist im UnterbrG unvollkommen normiert. Da die untergebrachten Personen
unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf
Gewährung von Lockerungen des Vollzugs geltend machen können,
ist es zum Schutz der Allgemeinheit zwingend erforderlich, die Voraussetzungen
der Entscheidung über eine Lockerung sowie deren hinreichende Überwachung
gesetzlich auszugestalten.
jj) Art. 21 – Ausführung und Vorführung
Im Gegensatz zum UnterbrG enthält der Gesetzentwurf eine Grundlage
für die Durchführung von Ausführungen aus wichtigen Gründen
sowie zur Vorführung von untergebrachten Personen zu gerichtlichen
Terminen infolge eines Vorführungsbefehls.
kk) Art. 22 – Disziplinarmaßnahmen
Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Entscheidungen aus dem Jahr
2007 (BVerfG vom 06.11.2007, Az. 2 BvR1136/07 und vom 12.11.2007, Az. 2
BvR 9/06) deutlich gemacht, dass auch im Bereich des Maßregelvollzugs
die Anwendung von Disziplinarmaßnahmen einer Anlass, Zweck und Grenzen
des Eingriffs festlegenden Ermächtigung bedarf. Eine derartige Rechtsgrundlage
wird geschaffen.
ll) Art. 23 – Festnahmerecht
Bislang war im UnterbrG nicht ausreichend klar geregelt, ob Beschäftigten
der Maßregelvollzugseinrichtung ein Festnahmerecht zusteht, wenn
eine untergebrachte Person sich ohne Erlaubnis vom Gelände der Maßregelvollzugs-
einrichtung entfernt hat oder sich außerhalb der Maßregelvollzugseinrichtung
aufhält. Für die entsprechende Befug- nis wird eine gesetzliche
Grundlage geschaffen.
mm) Art. 24 – Durchsuchungen und Untersuchungen
Im UnterbrG ist die Durchführung von Durchsuchungen und Untersuchungen
nur punktuell geregelt. Da Durchsu- chungen und Untersuchungen aber erforderlich
sind und einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, wird eine solche gesetzliche
Grundlage geschaffen.
nn) Art. 25 und 26 – Besondere Sicherungsmaßnahmen und Fixierungen
Besondere Sicherungsmaßnahmen sowie Fixierungen sind von Bedeutung,
um Gefährdungslagen abzuwenden. Im UnterbrG waren besondere Sicherungsmaßnahmen
sowie Fixierungen nur im Ansatz geregelt. Aufgrund der mit den besonderen
Sicherungsmaßnahmen sowie Fixierungen verbundenen weitreichenden
Grundrechtseingriffe wird eine hinreichende gesetzliche Grundlage geschaffen.
Zwangsfixierungen unterliegen künftig stets der richterlichen Überprüfung.
oo) Art. 29 bis 31 – Finanzielle Regelungen
Gelder für Leistungen sowie Zuwendungen bei Teilnahme an Arbeitstherapien
waren im UnterbrG nur punktuell ge- regelt und erhalten daher eine neue
gesetzliche Grundlage (Art. 29). Dasselbe gilt für den bereits in
der Vergangen- heit aufgrund eines Beschlusses des Bayerischen Landtags
gewährten Taschengeldanspruch (Barbetragsanspruch) mittelloser untergebrachter
Personen. Mehrkosten sind mit den Regelungen nicht verbunden, da sie der
derzeitigen Praxis im Maßregelvollzug in Bayern entsprechen. In Anlehnung
an die Ausgestaltung im Strafvollzug wird das Instrument der Bildung eines
Überbrückungsgeldes (Art. 30) etabliert. Dieses kann eine wichtige
Komponente im Rahmen der gesellschaftlichen Wiedereingliederung der untergebrachten
Person nach deren Entlassung darstellen. Einem Bedürfnis der Praxis
entspricht die neu geschaffene Möglichkeit der Maßregelvollzugseinrichtung,
die Verfügungsbefugnis der untergebrachten Person über deren
Gelder einzuschränken (Art. 31).
pp) Art. 32 und 33 – Aktenführung und Akteneinsicht
Das Erfordernis einer hinreichenden Dokumentation aller wesentlichen
Vorgänge im Rahmen der Unterbringung sowie die Ausgestaltung der Gewährung
von Akteneinsicht sind im UnterbrG nicht geregelt. Da deren gesetzliche
Verankerung wiederholt vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde, werden
entsprechende gesetzliche Regelungen normiert.
qq) Art. 34 – Datenschutz
Das UnterbrG enthielt bislang nur vereinzelte datenschutzrechtliche
Regelungen. Da aber die mit der Unterbringung in einer Maßregelvollzugseinrichtung
verbundenen Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbeschrän-
kung einer gesetzlichen Regelung bedürfen (vgl. BVerfGE 65, 1) und
vom Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz wiederholt
angemahnt wurden, werden diese mit Art. 34 geschaffen.
rr) Art. 35 – Überprüfung der Voraussetzungen der Unterbringung
Art. 35 bestimmt erstmals im Detail die Mitwirkungspflichten der Maßregelvollzugseinrichtung
im Rahmen der Ent- lassungsvorbereitung sowie zur Herbeiführung einer
Entscheidung der Strafvollstreckungskammer oder des Jugend- richters über
die Beendigung der Unterbringung.
ss) Art. 36 – Beendigung der Unterbringung
Art. 36 enthält erstmals eine Regelung zum Vorgehen bei der Entlassung
der untergebrachten Person bei Beendi- gung der Unterbringung. Aus fürsorgerischen
Gründen wird dabei der zu entlassenden untergebrachten Person auf
Kosten der Maßregelvollzugseinrichtung die Möglichkeit eingeräumt,
freiwillig und kurzzeitig in der Maßregelvoll- zugseinrichtung zu
verbleiben.
c) Regelung des Vollzugs der einstweiligen Unterbringung
In den Art. 37 bis 41 wird der Vollzug der einstweiligen Unterbringung
(Vollzug der einstweiligen Unterbringung infolge einer strafgerichtlichen
Entscheidung gemäß § 126a StPO und der Vollzug der Sicherungshaft
infolge einer strafgerichtlichen Entscheidung gemäß § 463
Abs. 1 in Verbindung mit § 453c StPO) geregelt.
Die Gestaltung des Vollzugs der einstweiligen Unterbringung nach §
126a StPO ist lediglich punktuell in der weit- gehend ländereinheitlichen
Verwaltungsvorschrift, der Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) geregelt.
Die UVollzO vermag aufgrund ihres untergesetzlichen Normcharakters weder
Bindungswirkung für die Gerichte zu entfalten noch Eingriffe in die
Grundrechte der einstweilig untergebrachten Personen zu legitimieren. Die
Gestaltung des Vollzugs der Sicherungshaft hat bislang außerhalb
des Anwendungsbereiches des § 463 Abs. 1 in Verbindung mit §
453c StPO Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 119 StPO keine gesetzliche
Regelung erfahren. Der Gesetz- entwurf enthält nunmehr in den Art.
37 bis 41 detaillierte Regelungen für die Ausgestaltung des Vollzugs
und schafft die erforderliche gesetzliche Grundlage. Der Gesetzentwurf
orientiert sich an den für den Vollzug der Maßregeln
der Sicherung und Besserung geltenden Grundsätzen und berücksichtigt
folgende Besonderheiten des Vollzugs der einstweiligen Unterbringung:
aa) Art. 37 Abs. 1 – Ziel der einstweiligen Unterbringung
Die einstweilige Unterbringung dient ausschließlich dem Ziel,
durch die sichere Unterbringung der einstweilig
untergebrachten Personen die Allgemeinheit vor der Begehung weiterer
rechtswidriger Taten zu schützen. Es existiert kein Behandlungsauftrag
zur Heilung oder Besserung der einstweilig untergebrachten Personen. Eine
Behandlung der einstweilig untergebrachten Personen gegen ihren Willen
ist anders als im Maßregelvollzug nur in absoluten Notfällen
zulässig, um eine schwerwiegende Gefährdung der Gesundheit der
einstweilig untergebrachten Personen oder anderer Personen abzuwenden (vgl.
Art. 41 Nummer 3).
bb) Art. 37 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 – Milderung der Eingriffsintensität Der
mit der einstweiligen Unterbringung einhergehende,
in der Regel plötzlich und unerwartet eintretende Einschnitt in
die persönliche Lebensführung bedeutet infolge der Unsicherheit
über den Fortgang und den Ausgang des Strafverfahrens für einstweilig
untergebrachte Personen eine erhebliche Belastung. Dieser Belastung ist
durch ausreichende Hilfen im Vollzug der einstweiligen Unterbringung zu
begegnen.
cc) Art. 38 – Trennung des Vollzugs
Einstweilig untergebrachte Personen sollen grundsätzlich nicht
mit anderen (nicht einstweilig, sondern dauerhaft) untergebrachten Personen
in demselben Raum untergebracht werden.
d) Besondere Vorschriften für bestimmte Personengruppen
Der Gesetzentwurf enthält erstmals besondere Vorschriften für
bestimmte Personengruppen.
aa) Art. 42 – Untergebrachte schwangere Frauen und Mütter von
Neugeborenen
Die Vorschriften tragen für die Fälle der Schwangerschaft
und der Entbindung den Schutzpflichten des Art. 6 Abs. 4 GG zugunsten der
Mutter und des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zugunsten des Kindes Rechnung.
bb) Art. 43 – Untergebrachte Personen mit Kindern
Durch Art. 43 wird entsprechend der Ausgestaltung im Strafvollzug eine
klare gesetzliche Grundlage geschaffen,
inwieweit ein Aufenthalt von Kindern einer untergebrachten Person in
der Maßregelvollzugseinrichtung zulässig ist.
cc) Art. 44 – Junge untergebrachte Personen
Aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist es erforderlich,
für untergebrachte Personen, die zur Tatzeit das 21. Lebensjahr noch
nicht vollendet hatten, bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres (junge
unterge- brachte Personen) altersspezifische Sonderregelungen zu treffen.
In Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfas- sungsgerichts ist der Vollzug
der Unterbringungen nach diesem Gesetzentwurf bei jungen untergebrachten
Personen erzieherisch auszugestalten.
Die jungen untergebrachten Personen sollen durch die Erziehung während
des Vollzugs in die Lage versetzt werden, nach der Entlassung ein Leben
ohne Straftaten zu führen und dies in sozialer Verantwortung, d. h.
sie sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein nützliches Mitglied
in der Gesellschaft werden.
Neben der Pflicht der Maßregelvollzugseinrichtung, bei allen
Maßnahmen auf Grund dieses Gesetzes das Alter der untergebrachten
Person hinreichend zu berücksichtigen (Art. 2 Abs. 3), wird zu diesem
Zweck insbesondere der Erziehungsauftrag gesondert konkretisiert.
e) Organisation des Vollzugs
Die Organisation des Vollzugs der Maßregeln der Besserung und
Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung ist nur punktuell geregelt.
Der Gesetzentwurf enthält nunmehr detaillierte Regelungen und bildet
die seit Jahren bewährte Organisation des Vollzugs auf einer gesetzlichen
Grundlage ab (Art. 45 bis 49). Durch die Art. 47 und Art. 49 werden auf
gesetzlicher Grundlage Mindestanforderungen an die personelle und bauliche
Ausstattung sowie die innere Organisation der Maßregelvollzugseinrichtungen
normiert. Von besonderer Bedeutung ist die Festlegung der fachlichen Anforderungen
an die Leitung der Vollzugseinrichtung sowie deren Verantwortungsbereich.
Noch detaillierter als im Unterbringungsrecht wird bestimmt, welche Entscheidungen
ausschließlich durch die Leitung der Maßregelvollzugseinrichtung
zu treffen sind und ob und ggf. in welchem Umfang diese auf nachgeordnete
Be- schäftigte übertragen werden dürfen.
f) Aufsicht
aa) Art. 50– Fachaufsicht
Wegen der stets wachsenden Bedeutung des Maßregelvollzugs wird
eine neue Kontrollinstanz eingeführt, die künftig die Fachaufsicht
über den Maßregelvollzug ausübt.
bb) Art. 51– Maßregelvollzugsbeiräte
Aufgrund der Eingriffsintensität der Unterbringungen nach diesem
Gesetz und zur Gewährleistung eines hohen Qualitätsstandards
des Vollzugs ist es neben der klassischen Fach- und Rechtsaufsicht (Art.
50) erforderlich, ein den Vollzug begleitendes Gremium zu installieren,
das bei der Gestaltung des Vollzugs und bei der Betreuung der untergebrachten
Personen mitwirkt. Der bewährten Praxis im Strafvollzug folgend werden
daher bei den Maßregel- vollzugseinrichtungen Beiräte geschaffen.
Im Bereich der Unterbringungen nach diesem Gesetz sind – ähnlich der
Ausgestaltung im Strafvollzug – an jeder Maßregelvollzugseinrichtung
Beiräte zu bilden, die den untergebrachten Personen sowie allen Beschäftigten
der Maßregelvollzugseinrichtung einschließlich deren Leitung
nicht nur punktuell, sondern dauerhaft als Ansprechpartner zur Gestaltung
des Vollzugs sowie bei der Betreuung der untergebrachten Personen zur Verfügung
stehen soll.
Mit der Schaffung von Maßregelvollzugsbeiräten als ständigen
Gremien ist zudem die Erwartung verbunden,
dass eine Vielzahl der in den Maßregelvollzugseinrichtungen entstehenden
Probleme durch Kommunikation
der Beteiligten mit den Maßregelvollzugsbeiräten vor Ort
gelöst werden können.
Damit kann die Aufgabe der Besuchskommissionen, die Maßregelvollzugseinrichtungen
mindestens alle
zwei Jahre einmal, in der Regel unangemeldet, daraufhin zu überprüfen,
ob die Rechte der untergebrachten
Personen gewahrt werden (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art.
21 Abs. 1 UnterbrG) entfallen.
3. Gesetzesfolgen
Der Gesetzentwurf bildet im Wesentlichen die allgemeinen Grundsätze
des in Bayern praktizierten Vollzugs der Maßregeln der Besserung
und Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung ab. So sind die Aufstellung
eines Behandlungs- und Vollzugsplanes (Art. 5) sowie das Erfordernis hinreichender
Dokumentation im Rahmen der Unterbringung getroffener Entscheidungen (Art.
32) schon heute Teil der Vollzugspraxis. Auch entsprechen die bayerischen
Einrichtungen des Maßregelvollzuges bereits derzeit den in Art. 47
BayMRVG-E vorgegebenen Mindestvoraussetzungen. Der Gesetzentwurf bedingt
daher mit Ausnahme der nachfolgend benannten Punkte keine Mehrausgaben.
Durch die Neuausrichtung der Aufgabe der Fachaufsicht über den Maßregelvollzug
entstehen geschätzte jährliche Mehrkosten in Höhe von ca.
900.000 Euro, die sich aus Personalkosten für 10 VK (2015: ca. 535.000
Euro; 2016: ca. 667.000 Euro) und Sachkosten in Höhe von ca. 300.000
Euro ergeben. Durch die Errichtung von Maßregelvollzugsbeiräten
(Art. 51) entsteht bei Orientierung an den Kosten der Anstaltsbeiräte
im Strafvollzug (Art. 185 bis 188 BayStVollzG) ein Mehrbedarf an Haushaltsmitteln
in Höhe von jährlich ca. 10.000 Euro. Aufgrund der Eingriffsintensität
der Unterbringungen nach diesem Gesetz und zur Gewährleistung eines
hohen Qualitätsstandards des Vollzugs soll nach dem Vorbild des Strafvollzugs
neben der klassischen Fach- und Rechtsaufsicht ein den Vollzug begleitendes
Gremium installiert werden, das bei der Gestaltung des Vollzugs mitwirkt.
Gleichzeitig werden durch die Schaffung der Maßregelvollzugsbeiräte
und der Neuausrichtung der Fachaufsicht die bestehenden Besuchskommissionen
entlastet, so dass Haushaltsmittel in Höhe von ca. 40.000
Euro jährlich (0,5 VK) bei den Regierungen eingespart werden können.
Weiterhin können bei der Regierung
von Oberbayern die für die Durchführung der Kostenerstattung
und Rechnungsprüfung vorhandenen 2,05 VK und damit Haushaltsmittel
in Höhe von ca. 165.000 Euro (Personalvollkosten) jährlich eingespart
werden. Einsparungen, die mit den neuen Regelungen zur Kostenbeteiligung
im Bereich der Gesundheitsfürsorge (Art. 7 Abs. 1) verbunden sind,
lassen sich nicht beziffern.
B. Zwingende Notwendigkeit einer normativen Regelung
Eingriffe in Grundrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage.
Seit 1972 ist geklärt, dass von diesem Erfordernis auch Eingriffe
in die Grundrechte von Strafgefangenen nicht ausgenommen sind (BVerfGE
33, 1, 9 f.; vgl. auch BVerfGE 58, 358, 367). Entsprechendes gilt für
Personen, deren Unterbringung durch strafgerichtliche Entscheidung in einem
psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde.
Grundrechtseingriffe, die über den Freiheitsentzug als solchen hinausgehen,
bedürfen unabhängig von den guten oder sogar zwingenden sachlichen
Gründen, die für sie sprechen mögen, einer eigenen gesetzlichen
Grundlage, die die Eingriffsvoraussetzungen in hinreichend bestimmter Weise
normiert (vgl. BVerfGE 40, 276, 283). Nichts anderes
gilt auch für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung, bei
dem die Eingriffsschwere angesichts der
Unschuldsvermutung sogar als noch tiefgehender zu qualifizieren ist,
so dass erst recht eine Grundlage in Form eines Gesetzes unabdingbar ist.
Dies hat das Bundesverfassungsgericht gerade für den Untersuchungshaftvollzug
in dem Beschluss vom 04.02.2009 (Az. 2 BvR 455/08) bestätigt. Das
BVerfG hat auch in seinen Entscheidungen vom 23.03.2011 (Az. 2 BvR 882/09),
12.10.2011 (Az. 2 BvR 633/11) und 18.01.2012 (Az. 2 BvR 133/10) zum Maßregelvollzug
klargestellt, dass es sich bei den Maßnahmen im Maßregelvollzug
teilweise um besonders schwerwiegende Grundrechtseingriffe handelt und
dabei die hohen Anforderungen an die entsprechenden Rechtsgrundlagen hervorgehoben.
C. Regelungsumfang
Dieses Gesetz ersetzt im Freistaat Bayern die §§ 136 bis
138 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe
und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung
(Strafvollzugsgesetz – StVollzG) vom 16. März 1976 (BGBl I S. 581,
ber. S. 2088, 1977 I S. 436), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes
vom 25. April 2013 (BGBl I S. 935), mit Ausnahme der Vorschriften über
den Pfändungsschutz (§ 138 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit §
51 Abs. 4 und 5 StVollzG) und das gerichtliche Verfahren (§ 138 Abs.
3 in Verbindung mit §§ 109 bis 121 StVollzG).
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